Letzte Aktualisierung: Mi. 07.10.2024
Aktuelles:
Herzliche Grüße an alle ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter der zahlreichen Schulmuseen im Land, gleichzeitig verbunden mit dem Wunsch, dass sich so langsam wieder Normalität einstellt.
Und an alle Lehrkräfte, die ich ermutigen möchte, im Rahmen von außerschulischer Bildungsarbeit die Angebote der Schul- und Heimatmuseen zu nutzen, auch wenn die Bedingungen immer schwerer werden. Die Kinder würde es freuen. Aber wer kein entsprechendes Museum in der Nähe hat, der hat die Möglichkeit diese Seite im Unterricht einzusetzen. Damit verbunden ist auch das Angebot, mich an geeigneter Stelle über das Internet mit in den Unterricht einzubeziehen. Ich freue mich drauf!
Und ich freue mich über den Besuch der vielen schulinteressierten Menschen auf meiner Seite. Und keine Sorge, es ist keine hochwissenschaftliche Abhandlung, sondern eine Zusammenfassung meiner 15jährigen Auseinandersetzung mit dem Thema Schule früher (vorwiegend in Bochum und Westfalen). Mit eingeflossen sind auch die vielen Erlebnisse und Geschichten der Museumsbesucher, die oft mit eigenen, spannenden Erinnerungen ins Schulmuseum kamen. Aber auch MitarbeiterInnen und PraktikantInnen haben einen erheblichen Anteil an diesem Erfahrungsbericht. Aber ohne die akribischen Aufzeichnungen des ersten und langjährigen Schulrates Wilhelm Rüter, der die Bochumer Schulgeschichte erforscht hat, wäre diese Seite nur halb so spannend.
Und was noch:
- Die Liste der deutschsprachigen Schulmuseen habe ich vereinfacht dargestellt, sodass Änderungen und Ergänzungen schneller und direkter erfolgen können. Dazu gekommen ist auch ein Schulmuseum aus den Niederlanden. Wer weitere kennt schreibt mir bitte, ich ergänze gerne.
- in der linken Rubrik ist vor dem ersten Anhang der Punkt: Schüler-Lehrer-Schulgeschichten dazu gekommen: Gerne veröffentliche ich da auch Eure/Ihre Schulgeschichten: lustige, traurige, spannende, von Erfolgen in der Schule und von Misserfolgen! Einfach aufschreiben und an die unten stehende E-Mail-Adresse schicken!
Bei Fragen, Anregungen und Änderungsvorschlägen bitte schreiben an: schulmuseum.unterwegs@t-online.de. Übrigens gerne auch, wenn Fehler hier im Text entdeckt werden.
Und jetzt zur Schulgeschichte:
Herzlich willkommen zu einer virtuellen Museumsführung im Klassenzimmer anno 1900. Der Schwerpunkt meiner Erzählungen liegt zwar auf Nordrhein-Westfalen und machmal sogar speziell auf Westfalen, dennoch gibt es Vieles, was sich in allen Schulen ähnelte. Manche alten Rituale gibt es schließlich heute noch. Diese „Führung“ kann im gesamten deutschsprachigem Raum eingesetzt bzw. verwendet werden. Auf meiner Seite können Sie eintauchen in den Schulalltag um die Jahrhundertwende 1900. So oder so ähnlich haben Schulklassen und andere interessierte Gruppen fast 15 Jahre meine etwa 2 bis 2 1/2 stündige Führung im Schulmuseum Bochum erleben dürfen oder ertragen müssen. Wer diese virtuelle Führung mit seiner Klasse erarbeiten möchte, findet auch einige passende Mitwirkungsmöglichkeiten für seine Schülerinnen und Schüler. Das Schreiben auf Schiefertafeln mit einem richtigen Griffel z.B. wäre eine solche. Günstige Tafeln und Griffel finden sich im Internet. Aber wenn Sie doch eine Führung in einem Museum vorziehen würden, dann finden Sie im Anhang und im Internet Listen von Schul- und Heimatmuseen, die entsprechende Führungen anbieten und sich auf Ihren Besuch freuen. Schulmuseen gibt es in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz und im europäischen Ausland. Auch in den großen Freilichtmuseen steht fast immer eine alte Schule mit dem passenden Mobiliar und museumspädagogischem Angebot. Im Anhang 3 finden Sie eine ziemlich aktuelle Liste von Schulmuseen. Wobei ich mich auf solche Museen beschränkt habe, in denen mindestens ein "Klassenzimmer anno 1900" aufgebaut ist und in denen Angebote für Schulen zum Thema "Unterricht anno 1900" bereitgehalten werden. Sollten Sie ein Museum kennen, dass hier nicht aufgeführt ist, wäre ich für einen entsprechenden Hinweis dankbar. Auch, wenn sich Namen, Telefonnummern oder E-Mailadressen geändert haben, würde ich mich über einen Hinweis freuen. Fehler werden möglichst umgehend korrigiert.
Unter der Adresse www.schulmuseum.net finden Sie auch viele Schulmuseen und Museen, die Schulexponate bereit halten. Leider sind diese Museen nicht flächendeckend verteilt, so dass viele Schulen sie nur mit hohem Aufwand besuchen können.
Wenn Sie deshalb meine Seite nutzen werden, freue ich mich auf einen kurzen Erfahrungsbericht, den ich hier mit einfließen lassen würde. Unter „Herzlich willkommen….“, also auf dieser Seite finden Sie eine komplette „Führung“ hintereinander aufgeführt.
Klicken Sie auf der linken Seite die Kapitel einzeln an, ist die „Führung“ entsprechend aufgeteilt, so dass die Schülerinnen und Schüler die Themen leichter auseinander halten können. (Die linke Seite mit weiteren Hintergründen ist allerdings noch nicht vollständig fertig und wird es wohl auch nie sein)
Viel Spaß beim Stöbern
Peter Schneller
schulmuseum.unterwegs@t-online.de
Jetzt geht es aber ab in die Schule. Und dafür gab und gibt es zuerst etwas Süßes, verpackt in Schultüten. Klar, dass die immer größer werden. Und es finden sich darin immer mehr und immer teurere Geschenke.
Erste Schultüten oder auch Zuckertüten tauchen in der Zeit von 1814 -1820 in Ostdeutschland auf. Und da war das drin, was der Name verheißt: Zucker(süßes). Natürlich ranken sich um die Zuckertüte zahlreiche Mythen. So wurde den Kindern erzählt, Zuckertüten hängen am Zuckertütenbaum, die pünktlich zum Schulanfang, früher Anfang April, reif waren und für die Kinder gepflückt werden konnten. (Der Zuckertütenbaum, mit Texten von A. Sixtus und Bildern von R. Heinrich, erschienen im Alfred Hahn´s Verlag, Esslingen, vormals Leipzig. Von A. Sixtus stammen übrigens auch die Bücher der Häschenschule) Noch heute werden die Zuckertüten in Ostdeutschland, aber auch in Schleswig-Holstein am Einschulungstag an einen Baum gehängt.
Jede Menge Zuckertüten (Schultüten) am Zuckertütenbaum
Schule anno 1900
- die Geschichte der Schulen, der Schülerinnen und Schüler und der Lehrer
Klassenzimmer anno 1900 im alten Bochumer Schulmuseum, geschlossen 2015
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Das Leben der Schülerinnen und Schülern um 1900
Während ich mich gleich darüber auslasse, wie die Situation der Volksschulen um 1900 hier in Deutschland war und mich speziell auf die Situation im Ruhrgebiet konzentriere und schaue, seit wann es überhaupt Schulen gibt und für wen, könnt ihr euch gedanklich in einer Zweierreihe vor der Schule aufstellen. Und hier wartet ihr bis eure Lehrerin oder euer Lehrer kommt, um euch in die Klasse zu holen.
- was es gab bzw. nicht gab; wie die Schülerinnen und Schüler sein sollten und wie Lehrkräfte das durchgesetzt haben:
Museumsinfo: Hilfsmittel
"Hilfsmittel"
Zunächst wollen wir uns anhand der Tafel „Hilfsmittel“ anschauen, was es im Jahr 1900 gab und was nicht. Nicht viel, um das gleich vorweg zu sagen, weil die Menschen damals bettelarm waren. Für die Schule hatten die Kinder eine Schiefertafel, worauf sie mit einem Schiefergriffel schrieben. Und wenn die Tafel komplett beschrieben war, gab es zum Wegwischen noch einen Tafellappen und einen kleinen Schwamm. Die Tafel befand sich in einem Tafelschoner, der zusammen mit einem Griffelkasten und einer Fibel Platz in einem damals noch ziemlich kleinen Tornister fand.
Und wie sollten die Kinder um 1900 sein. Da gab es ganz klare Vorstellungen. Sie sollten gehorsam sein, fleißig, ordentlich und reinlich:
Museumsinfo: Tugenden
Da wäre zunächst das Thema „Reinlichkeit“, was ja nicht unbedingt zum Schulunterricht gehören müsste, oder doch? Na klar, die Kinder sollten sauber gewaschen und mit sauberer Kleidung in die Schule kommen. Eigentlich kein Problem, würdet ihr sagen? Ihr geht morgens nach dem Aufstehen ins Badezimmer und auf die Toilette. Ihr wascht und kämmt euch und putzt die Zähne. Oder ihr geht in die Badewanne oder unter die Dusche und zieht euch anschließend saubere Wäsche an, oftmals noch von der Mama ausgesucht, richtig?
Da wollen wir doch mal sehen, wie das im Jahr 1900 aussah. Es war tatsächlich alles ganz anders, als ihr denkt: da gingen die Kinder nämlich in kein Badezimmer, weil es in den Wohnungen um 1900 noch kein Badezimmer gab. Von Dusche oder Badewanne gar nicht erst zu reden. Die Wohnungen der meisten Menschen waren so klein, dass weder ein Badezimmer, noch eine Toilette darin Platz fand. Zum Waschen stand auf der Schlafzimmerkommode oder auf dem Küchentisch eine Schüssel. Das Wasser zum Waschen mussten sich die Menschen erst einmal holen - jeden morgen.
Und was war mit der Toilette?
Wir gehen heute in unser Badezimmer, haben da unsere Toilette, drücken hinterher die Wasserspülung, waschen uns die Hände am Waschtisch. Angenehm warm ist es da auch! Und 1900: kein Badezimmer, keine Toilette und von Heizung keine Spur!
Da gingen die Leute in so ein kleines Holzhäuschen hinter dem Haus mit einer Tür mit Herzchen drin. Dahinter befand sich der „Donnerbalken“. Darunter eine Grube, die von Zeit zu Zeit ausgehoben werden musste, damit wieder Platz war für neue Hinterlassenschaften. Ich selbst kenne dieses Prozedere noch aus meiner Jugendzeit (etwa 1968). Wir hatten Verwandte auf dem Dorf und dort gab es dieses Toilettenhäuschen auch noch. Wenn man da nachts drauf musste, war das schon abenteuerlich. An Licht konnte ich mich jedenfalls nicht erinnern.
Und wie haben wir uns den Po abgeputzt? Mit kleingerissenen Zeitungsblättern!!!!
"Schulordnung"
Um die vielen Regeln bei der Menge von Schülerinnen und Schülern (bis 70, 80 Kinder in der Klasse) durchsetzen zu können, gab es klare Ansagen, wie diese Beispiele zeigen:
Museumsinfo: Schulverordnung
Museumsinfo: Regeln: Körperhaltung
"Die Körperhaltung"
Kinder mussten in der Schule kerzengerade sitzen. Der Rücken durfte nicht angelehnt sein, die Oberschenkel waagerecht, die Unterschenkel senkrecht, die Füße zwei fußbreit nebeneinander. Die Hände lagen flach auf den Tisch, wobei der Ellenbogen die Tischkante nicht berühren durfte. Der Kopf leicht gesenkt, so dass die Kinder auf den Tisch und den Lehrer ansehen konnten. Aufgezeigt wurde nur wenn der Lehrer eine Frage gestellt hatte. Wild mit dem Arm herumfuchteln und in die Klasse brüllen, z.B.: „Herr Lehrer, ich weiß was, im Keller brennt Licht“, das gab es nicht. Auch nicht mit dem Nachbarn reden oder ihn auch nur ansehen, das ging gar nicht. Wer nach der Frage des Lehrers aufgerufen wurde, stand auf, stellte sich neben seinen Platz, Hände an die Hosennaht ohne sich an den Tisch zu lehnen und antwortete, wie die Soldaten kurz und in ganzen Sätzen.
Auch wenn Gäste in die Klasse kamen, standen die Kinder auf und begrüßten den Gast wie den Lehrer.
Museumsinfo:
Heftlage
Die Hefte oder Tafeln mussten in einem 30- bis 35-Grad-Winkel auf dem Tisch liegen, so dass eine leichte Schrägstellung der Buchstaben erreicht wurde. Mit der Einführung der „vereinfachten“ Deutschen Schrift, der Süttelinschrift in den 1920er Jahren, war dann wieder alles anders. Jetzt standen alle Buchstaben mehr oder weniger in einem 90 Grad Winkel auf den Schreiblinien. Und nach dem Krieg mit der Einführung der „Lateinischen Schrift“, wurden die Buchstaben wieder schräg geschrieben. Bei der Normschrift, wie sie hauptsächlich für technische Zeichnungen und Berichtshefte verwandt wurde, galt ein 75-Grad-Winkel, der auch in zahlreichen Schreibschablonen vorgegeben wurde.
„Körperliche Strafen“
Ein Thema, was meine Besucher immer besonders interessierte waren die Strafen. Dazu aber später mehr.
Museumsinfo: Strafen
Einführung
Auch vor über einhundert Jahren gingen Kinder in die Schule. Klar, würdest Du sagen, weil wir uns das heute nicht anders vorstellen können. Tatsächlich war es aber so, dass Kinder erst seit 1919 in die Schule gehen mussten. Vorher gab es noch keinen direkten Zwang und so gingen die meisten Kinder in keine Schule, auch weil die Eltern dafür Geld zahlen mussten. Aber Geld hatten die meisten Menschen nicht genug, um ihre Kinder in die Schule zu schicken. Die meisten Kinder mussten arbeiten, um so zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Wenn sie Glück hatten, durften sie im Winter, etwa von November bis Februar, den Schulunterricht besuchen. Dann war aber wieder Arbeit auf dem Feld und auf dem Hof angesagt. Damals wollten die Kinder in die Schule gehen - durften es aber nicht. Heute dürfen die Kinder zur Schule, wollen aber nicht. So verrückt sind die Zeiten.
Dabei stellt sich hier zunächst die Frage, seit wann es Schule überhaupt gibt? Meine Besucher im Museum hatten da die unterschiedlichsten Zahlen im Kopf:
18. Jahrhundert? 15. Jahrhundert? Mittelalter?
Ich selbst habe eine ganze Zeit die römischen Herrschaftsjahre von vor über 2000 Jahren genannt. Wobei auch in der ägyptischen Herrschaftszeit Schule bekannt war, also noch etwa 3000 Jahre früher. Und auch bei den alten Griechen etwa 800 Jahre vor Christus war Schule bekannt. Aber vor einigen Jahren gab es in Herne, im dortigen LWL-Museum eine sehenswerte Ausstellung über die erste uns bekannte Großstadt, die im damaligen Persien lag: Uruk!
Da wohnten vor ca. 5000 Jahren etwa 350.000 Menschen und dort kannte man schon Schule. Man kann also sagen, dass es immer dort Schulen gab, wo die Eltern nicht mehr alleine für die Ausbildung der Kinder sorgen konnten.
Doch bleiben wir bei den Römern vor 2000 Jahren. Wir können im heutigen Römischen Museum in Xanten sehen, dass es auch da schon Schulen in der Mitte Deutschlands gab. Aber da gingen natürlich auch nur Kinder von wohlhabenden Eltern hin.
Für meine Führungen habe ich mir immer wieder vorgenommen, mir den Namen des römischen Legionslagers am heutigen Standort Xanten zu merken. Es ist mir nicht wirklich gelungen. Dank Internet kann ich ihn aber für euch hier verewigen: Vetera, verliehen durch den Römischen Kaiser Marcus Ulpius Traianus. Vetera wurde zur Colonia und hieß fortan Colonia Ulpia Traiana. Nach einer vollständigen Zerstörung im Jahr 275 wurde sie um 310 n.Chr, unter dem Namen Tricensimae wieder aufgebaut. Der Name Xanten entwickelte sich ab 752. Zuerst „ad Sanctos“ (bei den Heiligen). Daraus wurde Xanctum, später Xantum und dann schließlich Xanten, das am 15. Juli 1228 die Stadtrechte verliehen bekam. (siehe bei Wikipedia: Xanten)
Nachbau von römischen Wachs-Tafeln
Das Schreiben lernten die römischen Kinder auf Wachstafeln, die auch bei uns in der Gegend bis vor 300 Jahren noch im Einsatz waren: Zwei kleine Holzbretter mit schmalen Leisten an den Rändern und mit Lederbändern klappbar zusammen gebunden. Auf die Platte mit den Leisten wurde flüssiges Wach geschüttet. Wenn das Wachs durchgetrocknet war, konnten die Kinder mithilfe eines spitzen Metallstiftes schreiben. Auf der andern Seite war der Metallstift flach, damit konnten die Kinder das, was sie geschrieben hatten, zuspachteln. Irgendwann waren aber die Flächen so uneben, dass nur noch Verflüssigen des Wachses half - indem man die Tafel in die Sonne hielt. Wenn das Wachs anschließend wieder trocken war, konnten die Kinder auf der jetzt wieder glatten Wachsfläche weiter schreiben.
Als dann das römische Reich zerbrach, haben wir all das, was die Römer den Germanen voraus hatten vergessen: u.a. Fußbodenheizung, Waschhäuser, Glas an den Fenstern, mehrstöckige Häuser, Schulen usw. Im Ruhrgebiet gab es erst wieder Schulen als Klosterschulen, später Kirch- und Lateinschulen, wieder nur für die Kinder der reichen Familien. Alle anderen sollten keine Bildung erhalten, weil man sie so schließlich besser beeinflussen konnte. Und so war das viele Jahrhunderte, woran auch die kath. Kirche einen massgeblichen Anteil hatte. Erst als in der beginnenden Industrialisierung Menschen gebraucht wurden, die auch lesen, rechnen und schreiben können mussten, da nahm die Schulentwicklung langsam Fahrt auf. Vor allem die deutschen Könige und Kaiser mussten eher dazu gedrängt werden, eine Schulpflicht für die Kinder einzuführen.
König Friedrich Wilhelm IV hat verbürgt geäußert: „Schule? Was wollen die denn in der Schule? (er meinte die Bauern- und Handwerkerkinder) Wollen die danach alle Sekretär in der Stadt werden? Die sollen auf dem Land bleiben und da ihre Arbeit machen.“ Doch es gab gerade in der Gegend um Berlin und Potsdam einige rührige Pädagogen, die besonders auch die Schule für Bauern- und Handwerkerkinder forderten.
Schulmuseum Reckahn in der alten Landesschule zu Reckahn, die als Vorläuferschule der Volksschulen gilt
Im Reckahner Schulmuseum ist die Geschichte des Gutsherrn von Rochow dokumentiert, dessen erste Landschule für Bauernkinder als Vorläufer der Volksschulen gilt. Seine Landschule, gebaut 1774, wurde zum Mekka vieler Pädagogen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum und es fanden erstmalig regelmäßige Lehrerseminare statt. Unter wachsenden Druck gab auch die königliche Administration langsam die ablehnende Haltung auf und ließ Schulen bauen. Aber noch lange nicht flächendeckend. Die allgemeine Schulpflicht gab es erst nach dem Ersten Weltkrieg, nach der Abdankung Kaiser Wilhelms II.
Ich habe die Geschichte von Friedrich Eberhard von Rochow immer gerne erzählt, weil wir in Bochum einen direkten Bezug zu dieser ersten Landschule in Reckahn hatten.
Graf von der Recke
In Bochum und Umgebung ist Graf von der Recke ziemlich bekannt Hier hat er sich zum einen um kriegswaise Kinder gekümmert und zum anderen auf seinem Gut Overdyck in Hamme bei Bochum eine Freischule eingerichtet, um dort mit seinen fortschrittlichen Ideen die verkrustete Kirchschullandschaft aufzubrechen, in denen allzuoft ohne erkennbares Konzept unterrichtet wurde.
Dieser Graf von der Recke war ein Neffe von Friedrich Eberhard von Rochow aus Reckahn und er hielt sich in seiner Kindheit und Jugendzeit oft in Reckahn auf und hat die Entwicklung der dortigen Landschule hautnah miterlebt.
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Und dann, fast 150 Jahre später, wie sah sie aus, die "Schule anno 1900"? Und wie die Klassen? Wieviele Kinder saßen in einer Klasse? Wie lange hatten sie Unterricht? Gab es auch Ferien wie heute und wie lang waren die Pausen? Was hatten die Kinder damals an und wie trugen sie ihre Schulsachen in die Schule? Auf all diese Fragen gibt es jetzt und hier Antworten. Hierbei hilft uns „Prof. Dr. Dr. Schlau-Meier“ im virtuellen Schulmuseum auf einer Reise in die Vergangenheit, als die Urururgroßmutter noch ein Schulkind war.
„Prof. Dr. Dr. Schlau-Meier“
Schule für alle - die Volksschule
Ab hier wird hauptsächlich von der Volksschule des Jahres 1900 geredet. Das war die Schule, die die meisten Kinder besuchten. Das war auch viele Jahre später, etwa in den 50er Jahren, noch völlig normal.
Das kann ich deshalb so einfach behaupten, weil ich selbst 1958 in die Volksschule eingeschult worden bin. Damals noch für 8 Jahre. Danach habe ich im Alter von 13 Jahren meinen Lehrvertrag unterschrieben und 17 Tage später jeden Tag 9 ½ Stunden als Lehrling gearbeitet.
1958 z.B. besuchten ca. 50 Kinder die erste Klasse. Davon verließen ca. 4 Kinder die Volksschule nach der 4 Klasse in Richtung Realschule, oder wie das damals noch hieß: „Mittelschule“. 2 besuchten das Gymnasium, die „Oberschule“. Alle anderen blieben in der Volksschule - heute ist es fast umgekehrt. Es gab aber auch einen Wechsel in die andere Richtung. Wenn man nämlich zweimal hintereinander nicht versetzt wurde, also (auf seinem Platz im Klassenzimmer) „sitzen blieb“, kam man ich die „Hilfsschule", in der den Kindern sehr oft „geholfen“ wurde. Tatsächlich kamen einige Kinder nach ein- zwei Schuljahren wieder zurück in die Volksschule.
Die Schulkinder
Und jetzt zu den Schulkindern. Die mussten pünktlich um 8 Uhr vor der Schule stehen. Exakt in einer Zweierreihe, wie die Soldaten. Da wurden mindestens die Jungen bereits getrimmt fürs Strammstehen beim Militär. Und alles andere in der Schule hatte auch mit der Erziehung zum Soldatentum tun: die eiserne Disziplin, die Soldatenspiele und die Soldatenlieder. Aber auch die Kleidung und Tornister gehörten dazu.
Zwei Kinder „durften“ jeden Morgen etwas früher kommen und gingen mit einer großen Schulglocke in der Hand um die Schule herum und läuteten damit den Schultag ein. Und jeder in der Siedlung wusste: jetzt muss ich aber dringend los, um pünktlich zur Schule zu kommen.
Schul- bzw. Klassenglocke, elektrische Schulklingeln gab es natürlich nicht
Alle Kinder standen nun vor der Schule, von der ersten bis zur achten Klasse und warteten, bis die Lehrerinnen und Lehrer herauskamen, um sie in ihre Klasse zu holen. Und dann gingen sie los, die erste Klasse zuerst und dann nacheinander die anderen Klassen. Sie gingen mucksmäuschenstill in ihren Klassenraum. Da trampelte niemand, da wurde nicht geschubst, gesprochen oder gekichert. Denn wenn sie das taten, dann hatten sie ein Problem - dann mussten alle wieder raus auf den Schulhof, sich wieder aufstellen und wieder in die Klasse gehen. Das wurde wenn nötig solange wiederholt, bis es so funktionierte, wie der Lehrer es wollte.
Ihre Mäntel und Jacken mussten die Schülerinnen und Schüler an die Garderobenhaken hängen, die sich meist an der hinteren Wand befanden und setzten sich in ihre Bank. Die Mädchen übrigens vom Lehrer aus gesehen auf der linke Seite und die Jungen setzten sich auf die rechte Seite - an die Fenster, wo es kalt und zugig war. Die kleinen nach vorne und die großen Kinder nach hinten.
Und nun konnte der Unterricht mit Gebet und Sauberkeitsprüfung losgehen.
Die Schulklasse anno 1900
Zu sehen sind die Ansichten von den Schülern aus nach vorne auf das Podest, den Lehrerstuhl und die Tafel; die Rückwand mit dem Lehrmittelschrank und dem Kanonenofen; die Wandseite mit der Eingangstür und dem Wandschrank und die Fensterseite. (Auf den Fensterbildern kann man erkennen, dass der Raum zwar ein ziemlich echter, aber trotzdem ein Nachbau ist. Wer weiß warum?)
Und das ist das Klassenzimmer anno 1900 im Miniaturformat der Firma "Mini Mundus"
In den meisten Schulen hatte man in den Klassenräumen Doppelsitzbänke, die in bis zu 4 Reihen nebeneinander aufgestellt wurden. Es gab aber auch Dreier- und Viererbänke und Einzelbankreihen. Oftmals waren die Klassen so überfüllt, dass in einer Zweierbank drei Kinder und in einer Vierbank bis zu sechs Kinder saßen. Nicht selten mussten bis zu 70 Kinder in einer Klasse Platz finden. Dafür gab es an den Wänden noch zusätzlich kleine Sitzbänke, auf denen die Kinder sitzen mussten oder sie saßen einfach auf dem Boden.
Vorn in der Klasse befand sich ein Podest und darauf das Stehpult für den Lehrer, ein erhöhter Stuhl und die Stehtafel. Neben dem Podest stand ein Harmonium, ein großes Rechengerät mit Kugeln zum Hin- und Herschieben, ein so genannter Abakus, ein Kartenständer zum Aufhängen der Schulwandkarten und die Strafbank oder der Strafesel. Dazu später mehr. Und da stand noch ein Spucknapf.
Der Spucknapf: eine kleine Emailleschüssel. Hier spuckte der Lehrer seinen ausgekauten Tabakpriem hinein
Darüber gibt es auch höchst unangenehme Erzählungen: in diesen Spucknapf spuckte der Lehrer gerne seinen ausgekauten Priem. Das war Kautabak, eine Art Zigarrenersatz. Zigaretten gab es ja noch nicht und Zigarren waren teuer. Also kaute „Mann“ auf diesem Priem herum, der übrigens auch noch ziemlich braune Zähne hinterließ. Man kann das Priemkauen mit dem heutigen Kaugummikauen vergleichen. Und wer musste den Spucknapf sauber machen? Klar! Die Schüler!
Rechts im Bild ein Lehrerstuhl aus Holland mit einem Auftritt; links das Lehrerpult mit Lesekasten und einem Fingerrechengerät. In der Mitte vor dem Frl. Lehrerin das Waschgestell.
Der Stuhl rechts im Bild stammt aus Holland. Dort gab es in den wenigsten Klassenräumen Podeste und so bauten sie für den Lehrer oder die Lehrerin einen Stuhl, der vorne einen erhöhten Auftritt hatte. Und so konnten auch holländische Lehrkräfte ihre Schulklasse gut überblicken.
Der Unterricht
- Heimatkunde
Sobald der Lehrer die Tür öffnete, sprangen alle Schülerinnen und Schüler auf, stellten sich rechts bzw. links neben ihren Platz. Dann warteten sie bis die Lehrerin oder der Lehrer sagte: „Guten Morgen Kinder“ und dann kam es wie aus der Pistole geschossen: „Guten Morgen, Frl. Lehrerin“ oder „Guten Morgen, Herr Lehrer“.
Schulklasse als Scherenschnitt
Das gleich galt, wenn ein Gast hereinkam, der Schulleiter oder der Schulrat sowieso. Dann sprangen alle wie beschrieben auf. Und wenn der Lehrer sagte: „Setzen!“, dann setzten sich alle auf ihren Platz, kerzengerade, den Kopf leicht gesenkt, so dass sie auf die Schreibtafel und zum Lehrer schauen konnten. Die Hände flach oder gefalten auf den Tisch, wobei der Ellenbogen die Tischfläche nicht berühren durfte. Und so saßen sie von morgens 8 Uhr bis um 12 Uhr. Pause hatten sie in dieser Zeit nicht, höchstens mal eine Pinkelpause. Die große Pause begann um 12 Uhr und endete um 14 Uhr. In dieser Zeit gingen sie nach Hause, aßen zu Mittag, erledigten noch diverse Arbeiten im Haushalt und gingen zurück in die Schule und blieben dort bis 16.00 Uhr.
MITMACHMÖGLICHKEIT: Üben Sie mit den Schülerinnen und Schülern wie schon oben beschrieben das sich Setzen und Aufstehen und das Geradesitzen. Die Hände auf den Tisch legen. Die Augen schauen geradeaus!
Stundenplan einer Bochumer Volksschule von 1907.
Was auffällt: Die meistgegebenen Fächer sind Religion, einschließlich Kommunionunterricht sowie Deutsch (Lesen und Aufsatz) mit je 8 Wochenstunden. Und das es Nachmittags- und auch Samstagsunterricht gab.
Anschließend wurden sie für 2 bis 3 Stunden zum Arbeiten abgeholt. Danach gab es Abendbrot und dann ging es ab ins Bett, weil morgens um 5 mussten sie wieder raus, da dann schon jede Menge an Hausarbeit auf sie wartete, die noch vor der Schule erledigt werden musste. Vieh füttern zum Beispiel und auch das Futter für die Tiere besorgen und die Ställe sauber halten.
Alle Familienmitglieder mussten vom frühesten Alter an mit zum Lebensunterhalt der Familie beitragen, weil der Vater, obwohl er 10 - 12 Stunden am Tag schuftete, nicht genug Lohn bekam, um seine Familie zu ernähren.
Und weil sie so bettelarm waren, waren die meisten Familien sogenannte Selbstversorger. D.h. sie hatten einen großen Garten mit Obst und Gemüse, Ställe für Hühner, Kaninchen und Ziegen. Mehrere Nachbarn zusammen hielten sich auch gerne ein Schwein, das geschlachtet wurde, wenn es etwa 2 Zentner schwer war. Die Jungen z.B. mussten Holz hacken, Strohballen holen, Unkraut im Garten jäten, um nur einiges zu nennen. Zusätzlich erledigten sie Botengänge und Transportarbeiten, wie Stangeneis holen.
Die Mädchen halfen der Mutter im Haushalt; denn auch da gab es jede Menge zu tun, was uns heute Elektrogeräte abnehmen. Die gab es aber noch nicht:
Keine Waschmaschine oder Wäschetrockner, keinen Kühlschrank, keine Spül- und Kaffeemaschine, keinen Mixer, keinen Elektroherd und keine Mikrowelle, in der wir z.B. heute unser Fertiggericht „zubereiten“ und 5 Minuten später als fertige Mahlzeit herausholten. Undenkbar!!!
Wer 1900 eine Suppe zum Mittagessen auf den Tisch stellen wollte, musste um 8.00 Uhr, nachdem die Kinder aus dem Haus waren, mit den Vorbereitungen beginnen. Für eine Rindsbouillon z.B., für die ich ein Rezept in einem Kochbuch einer Lehrerin fand, kaufte man beim Metzger einen ganzen "Rindskopf". In dem Kochbuch war dann weiter ausgeführt, dass man zuerst den Rindskopf zerschlagen und 4 Stunden auskochen sollte. Mit dem passenden Gemüse hatte man dann mittags sicherlich eine leckere Suppe. Aber die Vorstellung mit den Rindskopf ist einfach gruselig.
(Ich konnte den Kindern allerdings auch nicht ersparen, und auch jetzt nicht meinen geneigten Lesern, dass die Suppe heute auch nicht anders gemacht wird. Nicht mehr zuhause, aber in der Fabrik und am Ende haben wir die Zutaten für eine fertige Suppe in der Maggitüte. Rein ins kochende Wasser, 5 Minuten rühren, fertig ist die Rindsbouillon)
Geheizt wurde mit Kohle oder Holz und fürs Licht hatte man Gas- oder Petroleumlampen oder Kerzen.
Für die Kinder in meinen Führungen war es ein regelrechter Schock, wenn ich ihnen wahrheitsgemäß berichten musste, dass es weder Radios, Fernsehgeräte, Playstations oder Handys gab. Kein Tablet oder Computer. Aber klar, für all den Spaß hatten die Kinder auch gar keine Zeit, weil sie ja von morgens bis abends anderweitig beschäftigt waren - nämlich mit Arbeit!
Aber was hatten die Kinder: Spielzeug, na klar! Aber im Gegensatz zu den heutigen Kindern, die in ihrem Kinderzimmer das Spielzeug bis zur Decke gelagert haben (und doch nicht wissen, was sie spielen sollen) passte das, was Kinder um 1900 hatten, in einen kleinen Schuhkarton und natürlich hatten sie kein Kinderzimmer.
Kommen wir nochmal auf die nicht vorhandenen Elektrogeräte zurück. Die gab es im Jahr 1900 nicht, weil all diese Geräte schließlich nur mit Strom funktionierten und Strom hatte man zwar schon in den Fabriken, aber in den einfachen Mietwohnungen und Häusern noch lange nicht.
Manche Ortschaften z.B. im Münsterland wurden erst in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts an das Stromnetz angeschlossen. Viele habe sich auch mit Händen und Füßen gegen den Fortschritt gewehrt. Für diese Menschen war Strom einfach Teufelszeug; denn wenn man unvorsichtig war und an die Kabel kam, bekam man einen Stromschlag. Das tat weh und man konnte sogar daran sterben. Damals waren die Isolierungen noch nicht so gut und die Kabel lagen auch fast immer auf den Wänden.
Und was wir uns heute so gar nicht vorstellen können: es gab noch kein fließendes Wasser! D.h. kein fließendes Wasser aus der Leitung. Darüber haben wir bereits beim Thema „Reinlichkeit“ gleich am Anfang geredet. Aber wo kam denn das Wasser dann her?
Die Kinder hatten dazu tolle Ideen: aus dem See, aus dem Fluss, aus dem Meer? Richtig ist, dass das Wasser aus einem Brunnen geholt werden musste und die gab es an mehreren Stellen in der Stadt. Und auch das war oft der Job der Kinder. Die mussten morgens vor der Schule erst einmal das Wasser holen, um sich waschen zu können. Natürlich musste man auch das Wasser für alles andere heranschleppen: Kochen, putzen, Pflanzen gießen usw. In manchen Freilichtmuseen kann man sehen, das es in einigen Bauernhäusern einen Bottich mit einer Wasserpumpe direkt hinter der Außenmauer gab. Das sieht dann so aus, als wenn man das Haus um die Wasserpumpe herum gebaut hat.
Das in der Schule benötigte Wasser holten die Kinder selbstverständlich auch. Fürs Wasser gab es dieses Gestell neben dem Lehrerpult. Da konnte sich der Lehrer zwischendurch die Hände waschen oder den Tafelschwamm nass machen.
Waschgestell mit Emailleschüssel, Kanne zum Wasserholen, Seifenschale und Handtuch
So verlief ein Schultag nach dem anderen. Von montags bis, ja ihr lest richtig, bis samstags. Da allerdings nur bis 12.00 Uhr, was aber nicht von besonderen Vorteil war, denn dadurch mussten die Kinder schon früher anfangen zu arbeiten. Und sonntags etwa war auch nicht Schluss mit den Verpflichtungen. Da nämlich mussten die Kinder in die Kirche - die Hl. Messe besuchen. Und wehe, sie waren nicht beim Gottesdienst, oder passten einmal nicht richtig auf, was sich während der Messe tat, oder was in der Predigt gesagt wurde. Da war am Montag die Verlegenheit groß, wenn der Pastor, der in der Regel auch der Leiter der Schule war, in seinem Religionsunterricht fragte, was er am Sonntag in der Predigt gesagt hatte. Und wer da nicht sofort eine gute Antwort parat hatte, lernte die sehr unangenehme Seite des Pastor kennen. Denn so ein gottesgläubiger Kirchenmann konnte auch ziemlich gut hinlangen.
Um das auch festzuhalten: die Schulen gehörten bis auf ganz wenige Freischulen zu den Kirchen. Den katholischen und den evangelischen Kirchen. In Bochum gab es um 1900 zusätzlich noch eine jüdische Schule. Auch das war noch bis Anfang der 1970er Jahre so. Katholische und evangelische Kinder gingen getrennt in die Schule. Oftmals lagen die Schulen, auch aus organisatorischen Gründen, dicht nebeneinander; hatten sogar einen gemeinsamen Schulhof.
Aber der war entweder durch eine Mauer oder manchmal auch nur durch einen weißen Strich getrennt. Und wehe, da wechselten Kinder die Seiten - dann gab es richtige Kloppe. Und dann: die Schule war aus und alle Kinder gingen nach Hause - gemeinsam. Denn schließlich wohnten sie ja auch zusammen, Tür an Tür und prügelten sich dort nicht wegen ihrer Religionszugehörigkeit.
Der Religionsunterricht bestimmte einen großen Teil des wöchentlichen Stundenplans. Dazu kam, das zwei- bis dreimal pro Woche der Unterricht mit einem Schulgottesdienst begann. Da gingen die Kinder zunächst morgens in die Kirche und dann nebenan in die Schule.
Die Kath. und Ev. Volksschule in Dahlhausen, damals noch selbstständige Gemeinde (Postkarte: Sammlung Schulmuseum)
Jetzt werdet ihr euch fragen, ob die Kinder denn auch mal frei hatten? Ja, aber wenig und sie hatten auch Ferien. Allerdings auch nicht wirklich, um frei zu haben und um sich zu erholen. Oder nach „Malle“ zu fliegen, oder nach Sylt. Als Freizeitspaß gab es allenfalls Verwandtenbesuche ins Nachbardorf, oder man durfte mit dem Bauern auf dem Pferdekarren zur nächstgelegenen Mühle fahren, um das Korn malen zu lassen. (siehe: "Wilhelm Rüter, Eine Jugend unter Tage" im Anhang links unten)
Ansonsten hatten sie Ferien, ihr ahnt es schon, um zu arbeiten. Es gab auch nicht die festen Zeiten für die Ferien wie heute. Damals wurden sie flexibel an das Wetter angepasst und an die Situation auf den Kartoffel- und Getreidefeldern. Denn auch das war Aufgabe der Schule: mit den Kindern in den Ferien auf den Feldern zu ackern, damit im Winter genug zu essen da war.
Die Sommerferien waren eher kurz, weil es in der Zeit auch nicht soviel Arbeit gab. Aber die Osterferien und die Herbstferien waren entsprechend länger. Woran lag das? In den Osterferien mussten die Kinder auf die Felder, um Unkraut zu jäten und den Boden aufzulockern.
Das blieb jahrelang so. In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts kamen aus Amerika eingeschleppte Kartoffelkäfer dazu, die sich über das erste Kartoffelgrün hermachten. Und die schafften es in ihrer Gefräßigkeit ganze Kartoffelfelder leer zu fressen und damit die gesamte Kartoffelernte zu vernichten.
Glasbild Kartoffelkäfer (Sammlung Schulmuseum) Die Präparate sind übrigens echt!
Aber auch da mussten Schülerinnen und Schüler ran und liefen klassenweise mit Eimern bestückt über die riesigen Felder und sammelten die Kartoffelkäfer von den Pflanzen ab und steckten sie in Gläser oder Eimer, um sie anschließend im Lagerfeuer zu verbrennen.
Und dann kam der Herbst und mit ihm die nächste große Ferienaktion. Es war auch immer klar, wofür diese Herbstferien reserviert waren. Sie hießen nämlich auch „Kartoffelferien“. Und richtig, da wurden keine Kartoffeln gegessen, da wurden Kartoffeln geerntet. Allerdings war das nicht komplett die Arbeit von den Kindern, das wäre zu schwer und zu anstrengend gewesen. Da hatten die Erwachsenen die Hauptarbeit, indem sie die Pflanzen mit der Erde, in der sich die Kartoffeln befanden, umbrachen, herauszogen und einsammelten. Wenn sie ein Pferd hatten, dann wurde die Arbeit des Umbrechens mit einem Pflug erledigt.
Schulwandbild „Kartoffel und Kartoffelpflanze“- Solanum tuberosu (Sammlung Schulmuseum)
Aber dabei blieben immer einige, insbesondere kleinere Kartoffeln, in der Erde zurück. Und jetzt kommen die Kinder mit ihren Körben, Säcken oder Eimern ins Spiel und sammelten aus der Erde die Kartoffeln, die beim Ernten stecken oder liegen geblieben sind. Für diese Arbeit bekamen sie einen Teil dessen, was sie gesammelt haben, als Lohn mit nach Hause und trugen so auch schon wieder zum Familienunterhalt bei. Nach all den anstrengenden Arbeiten waren sie froh, anschließend wieder in der Schule sitzen zu dürfen.
Und damit zurück zum Schulunterricht:
Der Lehrer oder die Lehrerin stand also hinter einem Pult, erhöht auf dem Podest, um die Klasse gut im Blick zu haben. Das Harmonium neben dem Podest benutzte der Lehrer, der oft gleichzeitig der Organist oder Chorleiter in der Kirche war, um den Kindern die Kirchenlieder beizubringen. Es war auch vielerorts die Aufgabe des Lehrers, mit seiner Klasse bei Beerdigungen zu singen. Diese Lieder mussten die Kinder auch kennen und auswendig lernen.
Harmonium links neben dem Katheder und in der Mitte vor der Tafel: Frl. Kothe
Der Unterricht begann immer mit einem Gebet und anschließend wurde überprüft, ob die Kinder sauber waren (besonders saubere Hände und saubere Fingernägel, denn darunter saßen gerade viele Bakterien), ob Gesicht und Ohren gewaschen waren und ob sich in den Haaren nicht so kleine Tiere verirrt hatten. Wer keine sauberen Hände hatte, musste raus und sich erst einmal waschen. Die Kinder hatten außerdem alle ein sauberes, frisch gewaschenes und gebügeltes Taschentuch vorzuweisen.
Auf meine Frage nach dem Warum, kamen oft die unterschiedlichsten Antworten von meinen Besuchern: Hände säubern, Tafel abwischen, Tisch abputzen, Tinte wegputzen. Aber irgendwann kamen sie auch darauf, dass man mit einem Taschentuch z.B. bei Schnupfen auch die Nase putzen konnte. Aber den eigentlichen Grund, ein Taschentuch dabeizuhaben, kannten nur die wenigsten Besucher:
Das Taschentuch mussten die Kinder benutzen, um es beim Husten oder Niesen vor Mund und Nase halten zu können. Beim Husten und noch mehr beim Niesen werden sehr viele Krankheitserreger aus Mund und Nase geschleudert und ich habe gelernt, das diese Erreger, Keime oder Viren bis zu 10 Meter geschleudert werden können. Wenn ich also als Lehrer, auf dem Podest stehend, niesen würde und weder Hand, Arm oder Taschentuch vor Mund und Nase halte, würden meine Krankheitserreger bis zu 10 Meter in der ganzen Klasse verteilt und ich hätte damit so ziemlich alle „meine“ Kinder angesteckt, wenn ich denn krank gewesen wäre.
Taschentücher, die die Schülerinnen und Schüler jeden Morgen vorweisen mussten: Das Taschentuch mit dem blauen Rand ist für Jungen, das mit dem rosa Rand für Mädchen
Und es gab einen sehr wichtigen Grund die Kinder anzuhalten, ein Taschentuch zu benutzen. Um 1900 grassierte nämlich eine sehr ansteckende Krankheit, an der viele Menschen, besonders viele Kinder starben.
Das war die Tuberkulose. Und dagegen hatte man noch keine Medikamente. Das tückische an dieser Krankheit war, dass man sich möglicherweise bereits infiziert hatte, aber die Krankheit bei einem selbst noch nicht ausgebrochen war. Trotzdem konnte man bereits durch Husten und Niesen andere Menschen anstecken. Erst durch Erfindung der entsprechenden Antibiotika (Antituberkulotikum) konnte man die Krankheit zurückdrängen. 1882 wies Robert Koch das Bakterium nach und erhielt dafür 1905 den Nobelpreis. Ab 1908 konnte dann geimpft werden.
Übrigens gab es eine ganze Reihe von Sprüchen, mit denen Lehrer den Kindern wichtige Regeln beibrachten. Zu diesem Kapitel passt sehr gut dieser hier:
„Frisch gewaschen, frisch gekämmt, Ohren, Hals, Gesicht und Händ, und ein sauberes Taschentuch, das gehört zum Schulbesuch.“ Dieser und andere Sprüche wurden von der ganzen Klasse wochenlang regelmäßig aufgesagt, bis der Spruch „saß“.
Ein anderer, auch in Sachen Sauberkeit, hieß:
Immer sauber, ganz und rein, so soll meine Tafel sein!
MITMACHMÖGLICHKEIT: Lassen Sie die Kinder einzeln, zusammen oder abwechselnd die Sprüche aufsagen. Achten Sie darauf, das die Kinder, wenn sie an der Reihe
sind, auch aufstehen und sich kerzengerade neben den Tisch stellen.
Stehtafel mit einem Ordnungsspruch in Deutscher Schrift geschrieben. Wer kann den Spruch entziffern? Wer wissen will, was da steht, sollte mir schreiben - ich transkribiere ihn gerne!
Kleidung der Schulkinder
Wie sahen sie aus, die Kinder im Jahr 1900, wie waren sie gekleidet? Wenn man einem Mädchen vor einhundertzwanzig Jahren gesagt hätte, dass man heute T-Shirts oder Pullover für 1,-Eur kaufen kann und es Leute gibt, die die Sachen gar nicht mehr waschen, sondern gleich sofort nach einmaligem Tragen wegwerfen, sie hätten es einfach nicht verstanden; denn was ein Mädchen um 1900 an Kleidung hatte, war gut überschaubar. Ein Sommer- und ein Winterkleid, auch gerne als Sonntagsausgehkleid reserviert, Rock, Pullover und Strickjacke, ein Mantel (vielleicht) ein paar lange und kurze Strümpfe, das wars. Und weil wenig Geld da war, mussten die Kleidungsstücke natürlich sehr lange halten und wurden dementsprechend gut gepflegt. Damit die Kleider nicht so schnell schmutzig wurden, trug jedes Mädchen zusätzlich eine Schürze. Die war auch schnell geschneidert, wenn sie mal kaputt ging. Was ein Mädchen auf gar keinen Fall anhatte, war ein Hose. Hosen für Mädchen bzw. Frauen waren verboten. Dazu später aber mehr. Die Haare der Mädchen waren lang, aber fast immer zu einem Zopf hinten, zwei Zöpfen an den Seiten oder zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
Matrosenanzug, d.h. ein gestreiftes Unterziehhemd und das Matrosenhemd, vornehmlich hergestellt von der Fa. Bleyle
Die Jungen waren wahrlich auch nicht besser ausgestattet. Normalerweise trugen sie ein Hemd, Pullover und je nach Jahreszeit eine Jacke und fast immer kurze Hosen, die etwa bis zum Knie gingen. Was die meisten Jungen aber unbedingt haben wollten, war ein Matrosenanzug. Warum war das so? Die Matrosenanzüge trugen die Soldaten auf den Kriegsschiffen und davon träumten die Jungen: auf einem Kriegsschiff zu sein, in diesem Matrosenanzug dem Kaiser die Welt erobern. Ganz „zufällig“ trugen die Kinder des Kaisers bei allen öffentlichen Auftritten auch solche Matrosenanzüge und so wollten die Jungen natürlich auch aussehen. Den Anzug bekamen aber nur die wenigsten, weil er ziemlich teuer war. Man konnte sich so einen Anzug leihen, wenn man sich z.B. bei der Einschulung fotografieren lassen wollte. Und weil die Mädchen den Jungen nicht nachstehen wollten, gab es für sie ein Kleid, das dem Matrosenanzug ähnelte.
Das war die Mädchenkleidung. Das blaue Kleid für den Winter, das an einen Matrosenanzug erinnert. Darüber die passende Schürze, ohne die ein Mädchen nicht aus dem Haus durfte!
Auf dem Bild unten seht ihr, wie bettelarm die Menschen wirklich waren. Der Junge rechts hat noch nicht mal das Billigste vom Billigen - ein paar Holzpantinen. Und der Junge links mit der langen Hose und den Holzlatschen war auch nicht besser dran, der trug die lange Hose eines Erwachsenen, abgewetzt und paarmal geflickt. Jungen trugen in der Regel immer nur kurze Hosen.
Zwei Schuljungen auf dem Schulweg mit Holztornistern auf dem Rücken - hier sieht man, wie bettelarm die Kinder waren
Aber das mit den kurzen Hosen war noch bis in die 60-er Jahre des letzten Jahrhunderts üblich. Auch ich (Jahrgang 1952) trug in meiner Kindheit nur kurze Hosen. Ich bekam als kleiner Junge eine (viel zu große Lederhose) die viele Jahre halten musste und hielt. Meine erste lange Hose bekam ich mit 10 Jahren, als Teil eines Kommunionanzuges.
Aber zurück zu den kurzen Hosen: die trugen wir natürlich auch im Winter. Und damit wir nicht froren, bekamen wir (sehr) lange Kniestrümpfe, die, damit sie nicht rutschten, an Gummibändern befestigt wurden und die wiederum an ein Leibchen, das wir unter der Hose trugen - todchic. Warum jeder Junge gerne ein lange Hose haben wollte, kann man sich sicher gut vorstellen.
Und wenn sich die Mädchen jetzt schlapplachen - dazu gibt es keinen Grund: die Mädchen durften ja nur Röcke oder Kleider tragen und darunter war es auch empfindlich kalt. Also gab es auch für Mädchen diese, weit über die Knie reichenden Wollstrümpfe, die mit den schicken Gummibändern an ein Leibchen gebunden wurden, damit man sie nicht verliert. Wer sich die Wollstrümpfe allerdings als weiche, kuschelige Kleidungsstücke vorstellt, liegt auch völlig falsch. Wolle damals kam kurz nach der „Stahlwolle“. Sie war kratzig und hart, aber trotzdem besser als zu frieren.
„Wollsocken“, die bis weit über die Knie gingen. Sie wurden mit Strumpfhaltern an einem Leibchen befestigt. Darum auch die Knöpfe.
Kleidung der Lehrerinnen und der Lehrer
Das Kleid, hier unten auf dem Bild, hat Frl. Kothe, eine Lehrerin aus Bochum, selbst geschneidert, um es ab 1914, als sie ihre erste Stelle antrat, in der Schule zu tragen.
Frl. Kothe, genauer, das Kleid von Frl. Kothe aus dem Jahr 1914. Von ihr selbst geschneidert!
So oder so ähnlich sahen die Lehrerinnen aus. Und da interessiert mich natürlich, warum die immer nur mit Fräulein angeredet wurden. Fräulein!!?? Was ist das eigentlich? Wer wurde mit Fräulein angeredet?
Gut, die Lehrerin, aber warum?
Richtig: als Fräulein wurden alle unverheirateten Frauen, bzw. Mädchen angeredet. Sobald eine Frau geheiratet hatte, hieß sie dann Frau Soundso, mit dem Nachnamen ihres Ehemannes.
Und warum kann ich wissen, dass eine Lehrerin immer ein Fräulein war? Woher wusste ich, dass sie unverheiratet war? Also jedenfalls nicht, weil sie keinen Ehering trug - nein eine Lehrerin durfte nicht heiraten.
Wenn eine Lehrerin heiraten wollte, musste sie raus aus der Schule. Sie durfte dann keine Lehrerin mehr sein.
Männer haben behauptet, eine Frau die verheiratet sei, sei sittlich nicht in der Lage, Kinder zu unterrichten. Ich frage mich, wieso dann ein verheirateter Mann Kinder unterrichten durfte? Das war nicht logisch.
Aber was war in Sachen Frauenrechte schon logisch: Frauen durften ohne Einwilligung des Mannes kein eigenes Bankkonto unterhalten. Auch wenn ein Frau arbeiten wollte, musste der Mann eine entsprechende Genehmigung geben. Auch in Sachen Wahlrecht hatten die Frauen lange Zeit nichts zu sagen. In Deutschland immerhin seit 1918; aber die Schweiz führte das Wahlrecht erst 1971 ein und Portugal noch einmal 3 Jahre später, 1974.
Und wie erkannte man ein verheiratete Frau? (von meinen Besucherkindern kamen gerade da die witzigsten Antworten: Wei sie so glücklich aussahen; weil ein man neben ihr herlief; weil sie Kinder dabei hatten; weil sie einen Ehering trugen usw.)
Also: verheiratete Frauen mussten eine Haube tragen. Und jetzt weiß auch jeder, was es bedeutetet „jemanden unter die Haube zu bringen“. Da wollte man die Tochter einfach nur verheiraten.
Frau mit Haube, also eine verheiratete Frau, fotografiert in einem Heimatmuseum in Brügge
Irgendwann habe ich in meinen Unterlagen ein Schriftstück über Vorurteile von Männern gegenüber Frauen im Lehrberuf gefunden und daraus die nun folgende Museumsinfo gemacht: Was da steht, ist für Männer einfach nur zum Fremdschämen - für Frauen unfassbar:
Museumsinfo: Sollen Frauen den Lehrerberuf ausüben?
Und jetzt wird es einen Moment „schlüpferich“; denn wir wollen genau darüber reden: über den Schlüpfer bzw. über das, was Mann und Frau „drunter“ trugen. Tatsächlich trugen Männer bis ungefähr 1870 und Frauen sogar noch weitere 50 Jahre weiter darunter: Nichts! Preußische Soldaten bekamen ab 1866 Unterbeinkleider verpasst. Und die setzten sich später auch bei Frauen durch: Beinkleider, denn Hosen durften Frauen und Mädchen auf keinen Fall tragen. „Die Hosen hatten ja schließlich die Männer an“.
Ein Beinkleid als Unterwäsche für Frauen, (Foto Heimatmuseum Brügge)
Und wie sahen Lehrer aus? Über Hose, Hemd und Weste trugen die Lehrer einen Gehrock. Der hatte hinten einen Schwalbenschwanz. (So was ähnliches tragen heute noch gerne Musiker)
"Lehrer" mit Gehrock und Zeigestock. Der Gehrock konnte auch schon mal „kneifen“. Aber etwas Besseres hatten viele Lehrer auch nicht
Noch ein Hinweis zu den Lehrkräften. Frauen im Lehrerberuf waren deutlich in der Unterzahl - meist waren es Männer, die den Beruf ausgeübt hatten. Der Lehrerberuf gehörte auch nicht zu den besonders angesehenen Berufen. Im 18. und 19. Jahrhundert war die Lehrerstelle oft auch nur eine Versorgungsstelle. Da kamen die Männer des Dorfes aus irgendwelchen kriegerischen Auseinandersetzungen zurück in ihr Dorf, waren vielleicht auch verletzt oder verstümmelt und so wies man ihnen, weil man sie versorgen musste, die Stelle des Lehrers zu. Damit hat er gleich eine Wohnung und ein Stück Garten, den er zum Überleben bewirtschaften konnte. So schaffte es in Bochum im Stadtteil Werne einmal ein ehemaliger Soldat in den Lehrerberuf, obwohl er weder lesen noch schreiben konnte.
Tornister, Schultaschen und deren Inhalte
Und nun interessiert uns, wie die Kinder ihre Schulsachen in die Schule trugen. Die meisten hatten sicherlich einen Schulranzen oder auch Tornister, gern im Ruhrgebiet auch "Tonnek" genannt. Wer den nicht hatte, band seine Schulsachen zusammen und trug sie über die Schulter gelegt zur Schule.
Bevor wir uns den Tornistern widmen sei noch gesagt, dass die allermeisten Kinder keine neuen Tornister hatten. Da wurde nämlich erst einmal im Keller oder auf dem Dachboden geschaut, ob da noch Tornister von den Eltern, Großeltern oder von den älteren Geschwistern lagerten. Dann wurden die weitergenutzt und deshalb mussten die Kinder besonders mit dem Tornister, aber auch mit den anderen Sachen ordentlich und achtsam umgehen, weil sie möglichst auch noch in der nächsten und übernächsten Generation zum Einsatz kommen mussten.
Da warf niemand seinen Tornister achtlos in die Ecke oder auf den Boden. Immerhin hätte der dadurch kaputt gehen können. Oder das, was da drin war. Und dann hätten die Kinder ein Problem gehabt. Sie mussten zuhause beichten, was sie angestellt hatten und dass das zerstörte Teil ersetzt werden müsse. Das kostete Geld und da die meisten Familien davon nur sehr wenig hatten, wurden die Kinder für diese Mutwilligkeit oder auch nur Unachtsamkeit bestraft. Wie das aussah, dazu kommen wir später unter „Strafen“. Jedenfalls war das in der Regel sehr unangenehm.
Die beiden üblichen Ledertornister aus der Zeit um 1900 und später: Jungen- und Mädchentornister
Wo liegt der Unterschied zwischen den beiden Tornistern, Schultaschen, Schulranzen, oder Tonneks? Beide sind gleich groß, beide sind aus Leder und sie haben auch in etwa dieselbe Farbe. Und trotzdem gibt es einen gravierenden Unterschied, den man auf den ersten Blick erkennen müsste!
Ein Mädchen- und ein Jungentornister
So sahen Tornister aus. Die beiden Ledertornister haben übrigens einen großen Unterschied. Nein, gemeint ist nicht die Farbe und auch nicht die Größe und ja, beide sind aus Leder!
Die Klappe macht den Unterschied: der eine hat eine große Klappe, der andere eine kleine, halbe Klappe. Der mit der großen Klappe ist der Tornister für die Jungen (mit der großen Klappe!) und der mit der kleinen, halben Klappe, das ist der Mädchentornister.
Das die Jungen den Tornister mit der großen Klappe trugen, hatte schon wieder etwas mit dem Militär zu tun; denn da trugen die Soldaten auch so einen Tornister, nur etwas größer. Die große Klappe brauchten sie, um dazwischen noch eine Decke oder wenn es draußen zu warm war, Jacke oder Mantel zu verstauen. Auch hier sieht man wieder, das alles in dieser Zeit in der Jungenerziehung mit dem Soldatentum zu tun hatte. Von klein auf wurden die Kinder zu strengstem Gehorsam erzogen.
Beim Mädchentornister hat man, denke ich, einfach nur gespart. Leder war teuer und so benutzte man nur soviel Leder wie nötig.
Und bei den Mädchen sparte man an so Vielem, nicht nur am Leder. Es war ja auch nicht unbedingt nötig, dass Mädchen eine lange und gute Ausbildung bekamen. Schließlich sollten sie später auch nicht „arbeiten“, sondern lediglich ihrem Ehemann ein gute Hausfrau sein, Kinder bekommen, putzen und Essen machen - das wars!?! Und dafür brauchte man angeblich keine besonders gute Ausbildung.
Was hier abgebildet ist, ist auch ein Tornister. Wir erinnern uns an die beiden Jungen mit den kurzen Haaren, die trugen auch so einen Holzkasten auf dem Rücken, nur quer angefertigt.
Holztornister
Er ist vor allem schnell gemacht: Ein paar Leisten und Bretter, Hammer, Nägel und ein Säge - fertig ist der Tornister.
Und was ich selbst in meiner aktiven Museumszeit nie gefunden habe: einen Papptornister. So was gab es auch! Man kann sie heute wieder kaufen, aber ob die Papptornister damals auch so schön waren wie heute, ist zu bezweifeln. Alle zusammen hatten aber ein gleiches Merkmal: den heraushängenden Tafellappen. Und er hing immer aus dem Tornister heraus, weil er trocknen sollte. Vom vielen Tafelputzen der war der Lappen nämlich nass und wenn er so nass in den Tornister gesteckt worden wäre, hätte es schnell angefangen zu müffeln, oder die Bücher wären nass geworden. Und so konnte der Lappen an der Luft gut trocknen.
Und auch das war ein Tornister, mit dem Jungen zur Schule gingen: ein Affe. Der wurde auch gern von den Pfadfindern und auch von den Soldaten getragen. Seine Besonderheit ist die Fellklappe.
Schülergruppe mit "Affen"
So, dann sind wir mal ganz neugierig und schauen rein in so einen Tornister. Besser in einen Mädchentornister, denn die waren aufgeräumter! (weil die Mädchen viel ordentlicher waren.)
Da war zunächst ein Tafelschoner, in dem eine Schiefertafel steckte. Daran befestigt ein Tafellappen und manchmal auch ein Tafelschwamm. Viele Kinder hatten auch eine kleine Schwammdose, in der sich ein angefeuchteterSchwamm befand.
Schwammdosen
Dann noch ein Griffelkasten aus Holz und eine Fibel. Das war eigentlich schon alles, was man in einem Tornister anno 1900 finden konnte. Die haben damit nur einen Bruchteil von dem gewogen, was den heutigen Erst- und Zweitklässlern an Gewicht zugemutet werden, obwohl mache sogar aus Holz waren.
Griffelkästen so unterschiedlich wie Schüler selbst. Aus Holz oder aus Pappe, zum Aufschieben, zweistöckig, zum Wegdrehen, mit und ohne Bilder, mit einem kleinen Abakus oder mit einem Deckel als Lineal
Schauen wir jetzt noch rein in einen Griffelkasten. Dazu schieben wir den Deckel nach hinten, wobei die komfortablen sogar zwei Ebenen hatten, die man auseinander drehen konnte.
Auf dem Deckel des oberen Griffelkastens kann man 4 Striche sehen. Die hat der Lehrer dem Schüler oder der Schülerin auf den Kasten gemalt - für gute Leistungen an diesem Tag. Viele kennen vielleicht noch die Fleißkärtchen, die man für gute Leistungen oder richtige Antworten bekam, die Striche auf dem Kasten haben die Lehrer gemalt, weil sie keine Fleißkärtchen hatten oder kannten. Jedenfalls konnte jetzt unsere Schülerin nach Hause gehen und den Eltern zeigen, was sie heute geleistet hatte und die Eltern konnten voller stolz sagen: „Unser Kind hat aber was auf dem Kasten“!
Was also ist drin im Griffelkasten: Natürlich war der Griffel drin (sonst würde der Kasten ja auch nicht Griffelkasten heißen) ein Griffelspitzer und dann ein Holzlinieal. So wie unten auf dem Bild.
Holzlineal, 15 cm langnatürlich aus Holz - vielleicht noch aus Metall
Nun kommt vielleicht noch die Frage auf, wieso damals wohl alles aus Holz war, vielleicht noch aus Metall. Aber warum waren die Schulmaterialien nicht wie heute aus Plastik? Ganz einfach, Plastik gab es im Jahr 1900 noch nicht!
Das erste Plastik wurde im Jahr 1909 erfunden. Von einem gewissen Herrn Bakelande, einem Belgier, der später nach Amerika ging und sich Mr. Bakeland nannte. Der erfand aus Kohle den Kunststoff Bakelit, woraus bis in die späten 70er Jahre des letzten Jahrhunderts noch sehr viele Gebrauchsteile hergestellt wurden. Vor allem Schalter, Stecker und Steckdosen, aber auch Telefone, Bügeleisen usw.. Die Elektroindustrie hat geradezu sehnsüchtig auf die Erfindung dieses Kunststoffes gewartet, weil der nämlich nicht leiten konnte. Daher die vielen Schalter, Stecker und Steckdosen, die man endlich anfassen bzw. bedienen konnte, ohne das man einen elektrischen Schlag bekam. Davor waren die elektrischen Bauteile aus Porzellan, mit dem Nachteil, dass sie aus einem Guss waren, schwer und gar nicht zu bearbeiten. Bakelit war leicht, ging zumindest am Anfang nicht in die Brüche und man konnte das Material bearbeiten.
In ganz bestimmten Geschäften, Katalogen und im Internet kann man noch zahlreiche Gegenstände aus Bakelit kaufen. Allerdings muss man dafür heute oft mehr als das 10-fache bezahlen.
Bakelit-Schalter zwischen der Tür und dem Stundenplan
Schreiben, Lesen, Rechnen
Während seit einiger Zeit weltweit darüber diskutiert wird, ob das Schreibenlernen überhaupt noch zeitgemäß bzw. notwendig sei, hat man genau das mehrere tausend Jahre gemacht: Schreiben lehren! Nur sah die Schrift und das Schreiben natürlich ganz anders aus, als wir das heute kennen. So haben die Ägypter z.B. vor 3000 Jahren Hieroglyphen in Stein gehauen. Bei den Römern kannte man schon Wachstafeln und auch bei uns haben die Menschen noch bis vor 300 Jahren auf Wachstafeln geschrieben bzw. Schreiben gelernt: mit der Spitze eines 10 cm langen Dorns in Wachs geritzt und wenn man das Geschriebene wieder weghaben wollte, hat man mit der anderen Seite, da war der Dorn platt geschlagen, die Wachsfläche wieder geglättet. Nachdem man das einige Male so gemacht hatte, war die Fläche aber so uneben, dass die Tafel nur noch in die Sonne gelegt werden konnte. Das Wachs schmolz dort und nach dem Trocknen war die Wachstafel wieder so glatt wie vorher und man konnte weiter schreiben.
Wachstafel (Dyptichon) mit Messingstift (Stylus) und dahinter die Schiefertafel, daran befestigt der Tafellappen, ein Tafelschwamm und ein weißer Kreidestift
Eine Schiefertafel mit Schwamm, ein Tafellappen zum Trockenreiben und ein weißer Kreidegriffel
Dann entdeckte man vor ca. 300 Jahren, dass sich eine Schiefertafel sehr gut zum Schreiben eignet. Die wurde aus einem Schiefersteinbruch gehauen. Der Vorteil war, dass die Schieferplatten von Natur aus schon sehr dünn waren. Nun musste die Tafel nur glatt geschliffen und auf Maß geschnitten werden. Dann noch, wenn man wollte, Linien drauf zum Schreiben oder Kästchen zum Rechnen, oder man ließ eine Seite ganz frei, auf der man z.B. zeichnen konnte.
Zum Schluss kam noch ein Holzrahmen um die Tafel, was zwei Gründe hatte. Zum einen schützte das Holz vor den scharfen Steinkanten und zum anderen konnte die dünne Tafel nicht so schnell zerbrechen. Wenn sie dann aber doch mal herunterfiel, hatte man vielleicht Glück und sie blieb ganz. Mit ein wenig Pech hatte sie nur einen Riss und man konnte sie fast problemlos weiter benutzen. Mit ganz viel Pech zersplitterte sie aber trotzdem und dann musste man nach Hause gehen und beichten, was passiert war, denn man brauchte ja eine neue Tafel. Zuerst gab es aber wegen der Unachtsamkeit erst mal was hinter die „Löffel“.
Wer es sich leisten konnte, investierte noch in einen Tafelschoner. Die gab es in den verschiedensten Ausführungen; mit Märchen- oder Tierbildern, aber auch mit so praktischen Abbildungen, wie die des 1x1.
Tafelschoner, die es mit den unterschiedlichsten Motiven gab. Oft mit Märchenbildern, aber auch mit dem 1x1 oder wie hier ganz praktisch mit dem Sütterlin-Alphabet
Schieferplatten werden übrigens auch gerne zur Dachabdeckung genutzt. Und es gibt ganze Ortschaften, z.B. Freudenberg, wo auch die Fassaden ganz vieler Häuser und die Dächer mit Schieferplatten bedeckt sind. Dazu passt übrigens eine Geschichte, die mir von einem älteren Besucher erzählt wurde. In dem Ort, in dem der Mann gewohnt hat, ist auch die Kirche im 2. Weltkrieg zerstört worden und auch die gesamte Schieferabdeckung des Kirchendaches lag in den Trümmern. Da hat der Vater meines Besuchers eine Schieferschindel aufgehoben und sie meinem Besucher in die Hand gedrückt. Damals war der natürlich noch ein kleiner Junge und konnte von da an wieder Schreiben üben.
Auf einer Schiefertafel schrieb man sinnvollerweise mit einem Schiefergriffel. Der war mit einer Banderole ummantelt, damit man den Griffel gut anfassen konnte. Wenn nötig, konnte der Griffel auch angespitzt werden. Dazu brauchte man einen speziellen Griffelspitzer.
Griffelspitzer
(Wenn ihr genau hinschaut, habe ich (eher zufällig) als Unterlage für den Griffelspitzet das Strafbuch genommen, das jeder Lehrer führen musste)
Zum Schreiben mussten die Griffel allerdings nicht unbedingt angespitzt werden. Aber wie bei den Tafeln musste man bei den Schiefergriffeln höllisch aufpassen, dass sie nicht runterfielen; denn dann zerbrachen sie in viele Teile.
Ich vergleiche das Schreiben mit dem Griffel gerne mit dem Kinderspiel, bei dem Kinder mit einem Kieselstein auf den Bürgersteig malen. (Hümpelkästchen zum Beispiel) Dabei kommt auch so ein blassgrauer Strich raus. Und das ist auch bei der Schiefertafel der Fall. Der Strich, vor allem auch, wenn man nicht allzu fest drückte, war nur ein weißlich grauer Strich, bei dem man manchmal Mühe hatte, zu erkennen, was da eigentlich geschrieben wurde.
Aber es gab ein Lösung, denn bald schon erfand jemand einen weißen Kreidegriffel. Wenn man den benutzte, hatte man einen weißen Strich, mit dem man viel besser lesen konnte, was geschrieben wurde. Aber wie bei so vielen Dingen im Leben gab es da auch schon wieder einen Nachteil. Diesen Kreide-Strich konnte man nicht so einfach von der Tafel entfernen, wie den Strich von einem Schiefergriffel. Den konnte man einfach mit einem trockenen Tafellappen wegwischen. Für den Strich mit einem Kreidegriffel geschrieben, brauchte man einen nassen Schwamm. Und der war entweder wie der Tafellappen an der Tafel befestigt, oder man hatte eine kleine Metalldose im Tornister, mit der man den kleinen Schwamm transportierte. Leicht angefeuchtet, eignete sich der Schwamm auch prima dafür, das mit einem Kreidegriffel Geschriebene wieder wegzuwischen.
Der Schreibunterricht:
Kaum saß man in seiner Bank, nahm man die Schiefertafel aus seinen Tornister und legte sie unter den Schultisch; den Griffelkasten stellte man vor sich auf die Schulbank, den Tornister hing man rechts oder links neben sich an den Schultisch.
Im Laufe des Unterrichts hieß es dann: So, nun wollen wir mal wieder das Schreiben üben. Der Lehrer rief die Zahl „1“ und alle Kinder fassten unter den Tisch und nahmen die Tafel in die Hand. Bei „2“ hielten alle Kinder die Tafel so hoch wie möglich über dem Kopf und bei „3“ wurden die Tafeln vorsichtig auf den Schultisch gelegt. In einem 35 Grad Winkel. Dann nahmen die Kinder einen Griffel aus dem Griffelkasten, hielten die Tafel mit der linken Hand fest und schrieben mit der rechten Hand die Buchstaben, Wörter oder Sätze, die der Lehrer diktierte. Um ungefähr den 75 Grad Winkel der Schrift zu erreichen, mussten die Kinder den Griffel nur noch gerade auf und ab führen.
Die richtige Handführung des Griffels. Deutlich zu erkennen, dass der Handballen die Tafel beim Schreiben nicht berührte. Die Kinder schrieben freihändig.
Ich habe gerade betont, dass die Kinder den Griffel in die rechte Hand nahmen. Und genau nur das war erlaubt. Auch Linkshänder mussten mit der „rechten“ Hand schreiben. "Linkshändern" war bei Strafe verboten, die linke Hand zu benutzen. Wenn sie das taten, wurden sie wegen groben Ungehorsam bestraft. Und wer es weiter versuchte, dem wurde dann irgendwann ein Ledergeschirr umgelegt, mit dem der linke Arm am Körper fixiert wurde und sie gezwungen waren, mit der „schönen“ Hand zu schreiben.
In dieser Zeit hatten es die Linkshänder sehr schwer, weil man das für eine Gehirnschaden hielt, den es auszumerzen galt. Das Linkshänder einfach nur im Gehirn umgepolt sind, kannte man damals nicht oder erkannte es nicht an.
Übrigens können alle Rechtshänder jetzt einmal ausprobieren, wie schwer es ist mit der linken Hand zu schreiben. Der weiß dann, was es für Qualen bedeutete, einem derartigen Zwang ausgesetzt zu sein.
Wenn ihr jetzt, die ihr diesen Text zuhause oder in der Schule lest und zufällig eine Schiefertafel zur Hand habt, dann könnt ihr einmal versuchen, so wie ein Schulkind im Jahr 1900 zu schreiben. Das ist nämlich nicht ganz so leicht, wie ihr euch das vielleicht vorstellt, denn die Kinder mussten freihändig schreiben. Sie durften den Handballen nicht auf die Tafel legen, weil sie sonst durch den Schweiß an den Händen, fettig geworden wäre. Und dann konnte man nicht mehr lesen, was man schreiben sollte. Die Kinder mussten die Tafel, um sie wieder benutzen zu können, erst wieder reinigen bzw. entfetten.
Versucht einmal den Buchstaben l eine ganze Reihe lang kurrent zu schreiben (Kurrent = in einem Zug, ohne abzusetzen). Schreibt dabei exakt auf der Grundlinie, das ist die zweite Linie von unten und achtet darauf, dass ihr nicht über die oberste Linie schreibt.
Wenn ihr das geschafft habt, könnt ihr jetzt darunter versuchen, euren Namen in der Schrift zu schreiben, die die Kinder um 1900 erlernen mussten: das war die Deutsche Schrift. Ab 1921 hat sich dann die vereinfachte Deutsche Schrift, die Sütterlinschrift, durchgesetzt, die aber 21 Jahre später wieder abgeschafft wurde.
Handzettel Deutsche Schrift
MITMACHMÖGLICHKEIT: Benötigt wird ein Klassensatz Schiefertafeln und Griffel, (Schulheft und Bleistift geht natürlich auch) Lassen Sie zunächst eine Reihe „l“
schreiben. Aber freihändig, d.h. der Handballen darf nicht auf der Tafel liegen. Danach können die Kinder versuchen,
ihren Namen in Deutscher Schrift zu schreiben!
Das Alphabet ist das gleiche, es gibt nur 2 gravierende Unterschiede: zum Einen gab es drei verschiedene „s“. Einmal das „s“, das am Anfang eines Wortes geschrieben wurde (dritte Reihe von oben, zweiter von links). Links daneben das sogenannte Schluss-„s“, das immer nur am Ende geschrieben wurde und das „ß“.
Und dann wurde noch das „St“ anders geschrieben, nämlich mit zwei Großbuchstaben, also „ST“. (Zweite Reihe von unten, vierter Buchstabe von links).
Diese Schriftform benutzte man bis ca. 1920, bis sie von der vereinfachten Deutschen Schrift, der "Sütterlinschrift", abgelöst wurde. Und auch die wurde schon bald, ca. 20 Jahre später durch die "Lateinische Schrift" ersetzt, weil man die in den meisten europäischen Ländern lesen konnte. Und das war deshalb nötig, weil sich Deutschland mitten im 2. Weltkrieg befand und die Nazis unter dem Diktator Adolf Hitler fast alle europäischen Länder überfallen und unterdrückt hatten. Und damit die Menschen dort lesen konnten, was die Nazis von ihnen verlangten, führte man die lateinische Schrift ein.
Zur Deutschen Schrift gibt es übrigens noch ein kaum beachtetes Detail, dafür aber nicht minder spannend: ich habe mich irgendwann gefragt, was denn die Striche, Punkte und Linien überden Buchstaben zu bedeuten haben. Die Punkte kennt jeder. Die stehen über dem „i“ oder dem „j“. Die geschwungene Linie ist da heute schon weniger üblich. Damals half sie das „u“ vom „n“ bzw“ „m“ zu unterscheiden.
Doch da waren noch die Striche über dem „a“, „o“ und „u“. Wenn ich heute ein „ä“, „ö“ oder „ü“ schreibe, dann sind das wie hier in der gedruckten Version in der Regel Punkte. Aber warum waren das in der Deutschen Schrift Striche?
Auf die Lösung bin ich eher zufällig gekommen, als ich in der schönen Stadt Lübeck im Niederegger (Marzipan)-Cafe saß und ich auf ein altes Plakat Lübecks geschaut habe, das vor mir an der Wand hing. Und da war das „ü“ in „Lübeck“ als „ue“ geschrieben. Aber nicht hintereinander, sondern das „e“ war schräg in das „u“ geschrieben worden. Und da fielen mir die Striche in der Deutschen Schrift ein und die Schreibweise des „e“. Das waren nämlich exakt zwei Striche nebeneinander. Gut, für die Striche über die Selbstlaute hatte man einfach den Auf- und Abstrich beim „e“ weggelassen und schon hatte man das „ä“, „ö“ und „ü“ gekennzeichnet!
Wenn die Tafel vollgeschrieben war, nahmen die Kinder den nassen Schwamm aus ihrer Schwammdose und wischten alles Geschriebene wieder weg. Mit dem trockenen Tafellappen machten die Kinder die Tafel so trocken, dass sie weiterschreiben oder die Tafel weglegen konnten. Dazu rief der Lehrer wieder 1, 2 und 3 und die Kinder nahmen die Tafel in die Hand (1), hielten sie hoch (2) und schoben sie unter ihren Schultisch (3).
Ich komme nochmal zurück auf das Freihändigschreiben. Ein älterer Besucher einer „Schulstunde anno 1900“ hatte für mich eine einfache, wie wirksame Lösung parat: um nicht freihändig schreiben zu müssen, legte er den Tafellappen so auf die Tafel, dass er seinen Handballen beim Schreiben da drauf legen konnte und schob die Hand mit dem Lappen nach rechts - völlig unverkrampft.
Vom Schreiben mit Federn
Sobald die Kinder ordentlich und leserlich schreiben konnten, durften sie (vor allem in den weiterführenden Schulen) mit Federn schreiben - in manchen Volksschulen schrieben die Kinder allerdings bis zur 8. Klasse auf Schiefertafeln. Das waren tatsächlich bis anno 1800 Federn von Vögeln. Auf meine Frage hin, von welchem Vogel die Feder wohl stammen könnte, kamen gerne Antworten wie Möwe, Huhn, Reiher, Schwan, Storch, aber erst mit Hinweis auf das Schulwandbild kamen die Kinder auf die Gans.
Schulwandbilder: rechts eine Gänsefamilie
Die Federn der Flügel der Gänse eigneten sich tatsächlich am besten zum Schreiben. Und die waren obendrein für die meisten Kinder kostenlos, denn auf vielen Bauernhöfen, da wo die meisten Kinder lebten, hielt man Gänse. Abgesehen davon, dass sie als Gänsebraten gut schmeckten, waren sie lebend auch sehr gute Wachtiere. Sie eigneten sich besser als Hunde ungebetene Gäste zu erschrecken. Wenn die Hunde mal schliefen, konnte die Hütte abbrennen. Gänse aber schliefen immer nur mit einem Auge. Mit dem anderen konnten sie jede Gefahr wahrnehmen. Wer einmal von einer Gans gebissen wurde, weiß wovon ich rede. Wenn eine Gans fauchend auf einen zuläuft, sollte man den Rückzug antreten, denn wenn Gänse zuschnappen und den Kopf wieder zurückziehen, könnte auch ein Stück Haut fehlen, weil die Gänse im Schnabel zwar keine Zähne, aber kleine Widerhaken haben.
Eine Gans im Freilichtmuseum (mit einer Feder auf dem Boden, die sie gerade verloren hatte)
Die Gänse haben übrigens noch weitere Federn, die wir Menschen sehr schätzen. Die packen wir nämlich ins Kopfkissen und schlafen drauf. Das sind die Daunenfedern.
Doch zurück zu den Federn der Flügel. Die wachsen nämlich nach außen weg und einmal im Jahr fällt die äußerste Feder einfach raus. Man musste sie nur noch aufheben, reinigen, anspitzen, lackieren und härten. Na ja, und dann ist sie fertig zum Schreiben.
Das war jetzt ein bisschen zu schnell: der Reihe nach:
Federn anspitzen
1. Eine Feder von einem großen Vogel besorgen (Gänsefedern eignen sich besonders gut)
2. Die Feder ins warme Wasser legen bis sie weich ist. Anschließend in heißen Sand stecken, damit die Spitze die richtige Härte hat.
3. Entfernen der Federäste am dickeren Ende des Federkiels, damit man die Feder später gut festhalten kann..
4. Das dicke Kielende wird mit einem scharfen Messer schräg abgeschnitten.
5. In der Mitte der Spitze wird ein etwas 1 cm langer Schlitz geschnitten.
6. Nun wird von der Rückseite her die Spitze 1 - 2 mm gerade geschnitten.
7. Zuletzt werden die Seiten rechts und links 5 mm abgeschrägt.
Die Feder ist nun fertig zum Schreiben.
Tinte selbst herstellen
Jetzt braucht man nur noch Tinte und tatsächlich kann man auch die selber herstellen: Früher wurde Tinte aus eisensalzhaltigen Galläpfeln hergestellt. Man kann aber auch Tinte aus Nussschalen, Baumrinde oder Beeren herstellen. Z.B. Blaubeeren.
Man nehme: Blaubeeren, 1 Sieb, 1 Löffel, 1 Rührschüssel, Essig und Salz und ein gut verschließbares Glas.
Die Blaubeeren werden in dem Sieb mit einem Löffel zerdrückt. Der Saft tropft in eine Schüssel. In den Blaubeersaft etwas Essig und Salz geben, damit die Tinte länger hält. Die fertige Tinte in einem Glas aufbewahren und kühl stellen.
Und wie das früher: in der Schule befand sich die Tinte in Tintengläsern oder Flaschen.
Während des Schulunterrichts hatte jedes Schulkind ein Tintengläschen zur Verfügung, das in der Schulbank eingelassen war. Manchmal mussten sich zwei Kinder ein Gläschen teilen.
Tintenflasche mit Umfüllflasche und Trichter und Stahlfeder mit Federhalter
Und wie kommt jetzt die Tinte in die kleinen Gefäße? Dafür hatte der Lehrer eine große Tintenflasche und eine zweite Flasche mit einer Ausgusstülle. Zuerst füllte der Lehrer die Tinte mit Hilfe eines Trichters in das kleinere Gefäß mit der Tülle. Dann ging er herum und goss ganz vorsichtig die Tinte in die kleinen Tintengläser.
Nun konnten die Kinder die Feder in das Gläschen tauchen, abstreifen und schon konnte man 2 bis 3 Wörter schreiben. Aber vorsichtig: zu feste gedrückt, konnte die Feder vorne ausbrechen. Oder die Tinte tropfte aus der Feder aufs Papier, so dass man wieder von vorn beginnen musste.
Deshalb hatte man auch nur so viel bzw. so wenig Tinte an der Feder, dass genau das nicht passieren konnte. Leider konnte man so aber auch nur 2 bis 3 Wörter schreiben. Und dann war die Feder auch ziemlich schnell wieder stumpf und die ganze Prozedur mit dem Anspitzen begann von vorn. Irgendwann war die Feder aber auch zu kurz und man musste sich eine neue besorgen.
Das alles war umständlich und deshalb erfand etwa Mitte des 18. Jahrhunderts der Aachener Bürgermeisterdiener Johannes Janssen die erste stählerne Schreibfeder („Aachener Stahlfeder“, 1748).
Mit der Stahlfeder konnte man immerhin schon etwa 1 ½ Reihen schreiben.
Aber auch das war nicht schnell genug und deshalb begann hier in Deutschland als einer der ersten ein gewisser Herr Soenneken (1871) mit der Produktion des Füllfederhalters. Das war ein Federhalter, den man mit Tinte befüllen konnte.
Füllfederhalter befüllen: Kappe abschrauben, Kolben nach unten drehen, Füller ins Tintenfass tauchen, Rädchen anders herum drehen, so dass der Kolben nach oben kommt und so die Tinte in den Füller gesaugt wird
Aber warum hat man nicht einfach den Füller aufgeschraubt und wie heute eine Patrone reingesteckt?
Ganz einfach, weil die aus Plastik ist und Plastik, wie wir ja schon besprochen haben, noch nicht erfunden war. Und wie füllte man den Füllfederhalter oder auch Kolbenfüller genannt? Dazu brauchte es auch wieder ein Tintenfässchen. Man schraubte allerdings zunächst die Schutzhülle und dann auf der anderen Seite des Füllers noch eine kleine Hülse ab. Dadurch wurde ein geriffeltes Rädchen sichtbar, das man nun rechts oder links herum drehen konnte. Rechts herum, damit der Kolben nach unten in Richtung Feder gedreht werden konnte, wobei der Füller nun komplett leer war. Jetzt steckte man die Feder in das Tintenglas und drehte das Rädchen links herum. Der Kolben ging sichtbar nach oben und die Tinte wurde in den Füller gesogen.
So gefüllt konnten die Schülerinnen und Schüler mit dem Füller seitenweise Aufsätze schreiben, viel mehr wahrscheinlich, als ihnen lieb war.
Aber wieso ist das alles, was ich hier gerade beschrieben habe, möglicherweise bald hinfällig? Die Frage könnt ihr selbst beantworten: Geschrieben wird heute überwiegend mit dem Handy und deren Rechtschreibprogramme werden immer besser und viele sprechen ihren Text nur noch in den Apparat und der Computer wandelt die Sprache in Schriftform um - wenn nötig auch in einer fremden Sprache. (Das wird das Nächste sein, was wir uns schenken können: das Sprachen lernen: Handy raus, Sprache und Land auswählen, Handy vor den Mund halten und schon wird übersetzt, was mein Gegenüber gesagt hat)
Geschichtsunterricht und ein bisschen Rechnen
Im nächsten Kapitel wollen wir uns dem Geschichtsunterricht widmen und erfahren, was das hier unten für ein Mann ist, der übrigens in der Zeit um 1900 in jedem Klassenzimmer vorne groß an der Wand hing, über ihm nur das Kreuz:
Wenn ich meinen Besuchern die Frage gestellt habe, wer der Herr an der Wand hinter mir ist, kamen alle möglichen Antworten: Hausmeister, Schulleiter, Bürgermeister, ein General, ein Soldat. Dass das der Kaiser war, wussten nicht einmal alle Erwachsenen.
Deutschland war im Jahr 1900 ein Kaiserreich. Und zu der Zeit hieß der Kaiser „Wilhelm II“ und seine Frau, Kaiserin Auguste Victoria. Die beiden hatten auch vier Kinder. Eine gute Gelegenheit im Internet zu recherchieren, wie die hießen.
Aber jetzt die passende Rechenaufgabe zum Geschichtsunterricht:
Kaiser Wilhelm II war im Jahr 1900 bereits 12 Jahre Kaiser. Wann wurde er zum Kaiser gekrönt?
(1912) (1888) (1898)
MITMACHMÖGLICHKEIT: stellen Sie den Kindern folgende Rechenaufgabe: wenn Kaiser Wilhelm im Jahr 1900 bereits 12 Jahre Kaiser war, in welchen Jahr wurde
er dann zum Kaiser gekrönt?
Wer bei 1888 gedanklich sein Kreuzchen gemacht hat, lag natürlich richtig:
1888, das war das sogenannte Dreikaiserjahr, was bedeutete, dass es in Deutschland 1888 drei Kaiser gab. Wie funktionierte das?
„Wilhelm I“, gekrönt 1871, der Großvater von Wilhelm II, stirbt am 09.03.1888.
Von dem Tag an war dessen Sohn Friedrich „Kaiser Friedrich III“. Aber er war sehr krank, er hatte Kehlkopfkrebs und konnte kaum noch sprechen. Er wusste, er würde bald sterben. Aber er wusste natürlich nicht wann. Und pflichtbewusst wie er war, wurde er Kaiser. Aber dann stirbt er doch ziemlich schnell am 15.06.1888 nach nur 99 Tagen Regentschaft. Und so wurde wiederum sein ältester Sohn Wilhelm am 15.06.1888 „Kaiser Wilhelm II“
Kaiser Wilhelm II war kein guter Kaiser. Unter ihm wurde die Schulerziehung ausgerichtet an die militärische Disziplin.
Bereits in der Schule, schon ab der ersten Klasse, wurden die Kinder zum absoluten Gehorsam, zur Disziplin und zur Ordnung erzogen. So war es auch nur eine Frage der Zeit, wann es den nächsten Krieg geben würde, und es war ein besonders schlimmer Krieg mit Millionen von Toten: das war der 1. Weltkrieg!
Entsprechend erzogen, marschierten Massen von jungen Leuten in einen Krieg, der für viele den sicheren Tod bedeutete. Sie sahen den Krieg als eine Art "Pfadfinderspiel" an. Natürlich wurde die Bevölkerung, wie man das eigentlich von allen Kriegen kennt, nach Strich und Faden belogen. Man hatte behauptet, die Soldaten würden mal eben alle preußischen Feinde besiegen und nach drei Wochen ruhmreich wieder zuhause sein. Aus 3 Wochen wurden 4 ½ Jahre und gestorben sind in diesem Krieg 17 Millionen Menschen. In den ersten Wochen starben besonders viele junge unerfahrene Soldaten, die kaum auf ihren Schutz geachtet haben und sicherlich auch gerne vorgeschickt wurden.
Deutlich wurde das in den Chroniken der weiterführenden Schulen. Da tauchten im Jahr 1915 besonders viele Namen junger, ehemaliger Schüler auf, die (mit 18 oder 19) für Volk und Vaterland und für einen (unfähigen) Kaiser ihr Leben gelassen haben.
Kaiser Wilhelm II dankte am 09.11.1918 ab und floh mit Hab und Gut nach Doorn in Holland, wofür sage und schreibe 60 Eisenbahnwaggons nötig waren. Er starb dort am 04.06.1941 im Alter von 82 Jahren.
Kaiser Wilhelm II als oberster Soldat
Immerhin gab es auch Gewinner des Krieges: Herr Krupp z.B. wurde einer der reichsten Männer der Welt, weil er u.a. dem Kaiser Kriegsgeräte wie Kanonen, Kriegsschiffe, Bomben usw. verkauft hat. Krupp hat aber auch an die „Feinde“ seine Bomben verkauft, mit denen dann die Arbeiter, die sie selbst hergestellt haben, bombardiert wurden.
Die Kruppwerke waren mitten im Ruhrgebiet und sehr viele Menschen aus Essen und Umgebung (man kann schon sagen aus dem ganzen Ruhrgebiet) arbeiteten für diese Firma. Bei Krupp und nicht nur da wurden die Arbeiter aber so schlecht bezahlt, dass sie trotz 10 - 12 Stunden Arbeitszeit, ich habe das am Anfang der Führung schon mal erwähnt, ihre Familien nur schlecht und recht ernähren konnten und deshalb mussten auch die Kinder der Familien irgendwie zum Lebensunterhalt beitragen. Und deshalb konnten diese Kinder auch nicht regelmäßig oder gar nicht zur Schule gehen.
Strafen und Bestrafen
Wie komme ich bloss vom Kaiser aufs Bestrafen. Na klar, wenn ich den absoluten Gehorsam verlange, gehört wohl scheinbar das Bestrafen dazu. Und bestraft wurde besonders in der Schule gerne und mit für heutige Verhältnisse unfassbaren Mitteln.
Inbegriff des Bestrafens ist ja wohl für viele der Stock. Den hatte der Lehrer oft in der Hand, weil und das ist ja auch praktisch, der Stock meist als Zeigestock verwendet wurde und wird.
Zeigestock
Aber auch zum Schlagen wurde der Stock reichlich eingesetzt und wenn der eigene Zeigestock des Lehrers nicht zweckentfremdet werden sollte, oder auf dem Gesäß eines Schülers zerbarst, konnte es sein, dass die Schüler sich einen Stock für die Prügel, die sie beziehen sollten, draußen suchen mussten.
Wobei es besonders Jungen vorbehalten blieb, ordentlich Prügel zu beziehen. Die Mädchen sollten nicht geschlagen werden; wenn dann nur auf den linken Arm oder auf den Rücken. Die Jungen bekamen aber die volle Wut des Lehrers egal wie ab. Gerne auch auf den nackten Hintern.
Was ausgenommen war, war das Schlagen auf die Hände bzw. die Finger. Denn dabei hätten sehr wohl die Hände oder auch nur die Finger geschwollen sein können. Und dann hätte der Lehrer möglicherweise ein Problem gehabt; denn dann wäre der Vater in die Schule gekommen und hätte sich den Lehrer vorgenommen, weil er seinen Sohn schließlich zum Arbeiten brauchte und mit einer kaputten oder geschwollen Hand, konnte man nicht arbeiten. Und es ist überliefert, dass so mancher Lehrer in genau solchen Situationen Prügel durch die Väter bezogen habe.
Aber es gab ja auch noch andere Strafen. Z.B. den Schülern „Köln zeigen“: Dabei drehte der Lehrer das Ohrläppchen des Schülers und zog das Ohr bzw. den Schüler nach oben aus der Bank heraus - eine sehr schmerzhafte Strafe.
Von einem Besucher erzähle ich immer gern die Geschichte, das er für ein (kleines) Vergehen gleich viermal bestraft wurde. Zuerst vom Lehrer, dann, nachdem er sich beschwert hatte, vom Rektor. Dann ging er nach hause, bekam nochmal was von der Mutter hinter die Löffel und wenn dann abends der Vater von der Arbeit kam, setzte es nochmal Prügel.
Mir ging es einmal ähnlich. Weil ich mich über eine Ohrfeige in der Schule zuhause beschwert hatte, bekam ich von meiner Mutter noch eine von der anderen Seite. (ich hab mich nie wieder beschwert - ich war doch nicht bescheuert).
Noch schlimmer erging es den Schülern, die auf einem sogenannten „Knieholz“ vor dem Lehrer knien mussten. Aber wieso lagen in einer Klasse überhaupt solche Kniehölzer? Dazu betrachten wir wieder den Klassenraum und sehen hinten an der Wand diesen riesigen Ofen.
Der Kanonenofen zum Beheizen des Klassenzimmers. Der sieht ein bisschen aus wie ein Kanonenrohr. Da passen jedenfalls jede Menge Holzscheite rein.
Dieser Ofen sieht zwar sehr sperrig und schwer aus, ließ sich aber, etwa beim Umzug, schnell in seine Einzelteile zerlegen. Aufgrund seiner runden Form nannte man diesen Ofen „Kanonenofen“, weil er wie ein Kanonenrohr aussah. Und dieser Kanonenofen wurde vornehmlich mit Holz befeuert. Der Ofenraum war ziemlich groß, so dass dort bis zu 10 Holzscheite hineinpassten. Wenn die alle brannten, wurde der Ofen ziemlich schnell ziemlich heiß, was bei der Größe des Klassenraums ja auch nötig war. Die Holzscheite mussten die Kinder selbst mitbringen.
Jeden Tag kamen die Schüler mit einem Holzscheit zur Schule und gaben es am Eingang beim Hausmeister ab. Wenn man sein Holzscheit vergessen hatte, kam man nicht in die Schule. Dann ging es erst wieder nach Hause, um das Scheit zu holen. Wenn man dadurch zu spät zum Unterricht kam, gab es natürlich eine entsprechende Bestrafung.
Es gab Holzscheite, die je nach dem, wie sie gehackt wurden, abgerundet waren. Es gab aber auch die Innenstücke, die an allen drei Seiten spitz waren. Und solche Holzscheite lagen vorne am Rand des Podests, immer im Blick der Schüler. Wer da auf so einer spitzen Kante knien musste, hatte nach kurzer Zeit höllische Schmerzen im Knie. Und weil der Schüler versuchte, sich aus dem Schmerz herauszuwinden, war die dünne Haut an den Knien schnell durch. Und da gab es offizielle Berichte, dass so manch ein Schüler mit blutenden Knien nach Hause geschickt werden musste.
Ein Holzscheit für den Kanonenofen als Knieholz
Neben den gerade beschriebenen Strafen, gab natürlich auch die heute bekannten: in der Ecke stehen; vor die Klasse geschickt zu werden; mehrere Male bestimmte Regeln aufschreiben; Strafarbeiten wie Klasse oder Schulhof fegen usw.
Und wie war das bei den Mädchen? Die sollten wie schon beschrieben, möglichst nicht geschlagen werden. Dennoch gab es Ohrfeigen, aber auch Schläge auf die Finger, was auch besonders schmerzte. Aber es gab für Mädchen auch die sehr erniedrigende Strafe der Eselsbank. Die stand neben dem Lehrerpodest vorn und da mussten die Mädchen Platz nehmen mit dem Gesicht zur Klasse. Und damit nicht genug. Die Eselsbank hieß ja nicht umsonst so. Sie bekamen auch noch Eselsohren aufgesetzt, womit sie zum Gespött der ganzen Klasse wurden.
Und es gab Schulen, die sich sogar hölzerne Esel „leisteten“. Dort saßen die Kinder dann auf einem „richtigen“ Esel - natürlich auch mit den Eselsohren.
MITMACHMÖGLICHKEIT: Schneiden Sie sich aus dickerem Papier ein Paar Eselsohren aus, stellen eine Bank oder einen Stuhl vorne neben die Tafel, wählen ein Mädchen aus,
das sich auf die Bank setzen muss, setzen ihm die Eselsohren auf und erklären, warum in erster Linie Mädchen die Eselsohren aufsetzen mussten (Strafe für Mädchen, weil die in der Regel nicht
geschlagen wurden)
Wenn Sie sich dann auch noch ein Holzscheit besorgen, aber bitte ein abgerundetes, dann haben Sie für den Rest der Stunde ausgesorgt, weil da nämlich alle Kinder drauf knien wollen.
Die Eselsbank und eine Puppe mit den Eselsohren. Auf der Bank haben fast nur Mädchen Platz nehmen "dürfen"
Für die letzte Strafe, über die ich noch berichten kann, braucht man sehr starke Nerven.
Auf dem nächsten Bild sieht man nämlich ein "Foltergerät" für die Finger, das zumindest in Nordrhein-Westfalen in vielen Klassen stand.
Ein Fingerrechengerät. Die Idee dahinter: Alle Kinder haben 10 Finger zum Rechnen
Hier mussten die Kinder von unten die Finger reinstecken und: „Zack ab“. (????????)
Man kann sich vorstellen, dass diese Beschreibung bei meinen Besuchern großes Entsetzen hervorrief.
Aber natürlich stimmte das auch nicht. Na ja, im Mittelalter hat man gerne den Dieben die Hände abgehackt, aber um 1900 war das bei uns keine gängige Strafe mehr. Wenn man den Kindern schon nicht auf die Hände schlagen durfte, weil sie damit anschwellen und sie nicht mehr arbeiten konnten, durfte man ihnen auch keine Finger abschneiden oder quetschen.
Aber warum hat dieses Gerät etwas mit Strafe zu tun?
Richtig, es handelte sich um ein Rechengerät, mit dem man, den 10 Fingern der Hände nachempfunden, allerlei Rechenaufgaben bewältigen konnte. Ähnlich übrigens dem Abakus, auf den wir später beim Rundgang noch kommen.
Und auch richtig, für viele war und ist Mathematik eine Strafe. Mathe mögen viele nicht.
Von der Lebenssituation einer Ruhrgebietsfamilie um 1900
Zum Schluss geht es nochmal um die Lebenssituation einer typischen Familie aus dem Ruhrgebiet: Dazu schlage ich im Rechenbuch die erste Seite auf und finde dort versteckt das Geld, womit im Jahr 1900 gezahlt wurde. Das war die Mark! Nicht Reichsmark, nicht Rentenmark und auch nicht D-Mark. Nur Mark. Und hier habe ich exakt 1.320,- Mark abgebildet. Diese Summe hatte eine typische deutsche Familie (Vater, Mutter und zwei Kinder) durchschnittlich zur Verfügung. -------- Im Jahr!!!!
Geldscheine der Zeit um 1900. Gezahlt wurde in „Mark“
Eine Familie hatte also lediglich etwas mehr als 100,- Mark im Monat zur Verfügung. Das wäre etwa so, als wenn man heute mit etwa 650,- Euro im Monat leben müsste - und damit alles kaufen müsste - für 4 Personen: Essen, Kleidung, Wohnung. Ihr sagt, das geht doch gar nicht. Da habt ihr recht und deshalb mussten ja auch alle in der Familie jeden Tag mitarbeiten, um über die Runden zu kommen.
Dabei müsst ihr aber auch wissen, dass die Menschen früher Selbstversorger waren. Am Anfang als um die Schulkinder ging, habe ich schon einmal darauf hingewiesen. Also, fast alles, was man heute im Supermarkt kauft, dass hatten die Menschen früher im Garten, abgesehen davon, dass es damals noch keinen Supermarkt gab. Jeder hatte hinten dem Haus einen Garten. Da gab es sicher eins nicht: einen Rasen. Da gab es aber Obstbäume, Beerensträucher, da wurden jegliche Arten von Gemüse angebaut, natürlich Kartoffeln. Und es gab Hühner für die Eier; Ziegen für die Milch und Kaninchen.
Den Herbst verbrachten die Menschen damit, Obst und Gemüse einzukochen, damit sie im Winter etwas zu essen hatten. Allein diese Arbeit dauerte mehrere Wochen und dabei halfen alle in der Familie mit.
Waschtag - eine typische Hinterhofsituation. Jedes Familienmitglied half mit bei der der "großen" Wäsche. (Bild in einer Ausstellung des Ruhrmuseums abfotografiert)
Ach ja, und das mit dem Essen erzähle ich auch vor dem Hintergrund der Frage, wie haben sie das denn alles über Wochen bzw. Monate frisch gehalten, ohne Kühlschrank? Tatsächlich gab es um die Jahrhundertwende und sogar noch bis in die 1950er Jahre hinein Eisfabriken. Die mussten dann nach und nach schließen, weil dann immer mehr Haushalte eigene Kühlschränke besaßen. Aber bis dahin holten sich die Menschen aus der Eisfabrik lange, rechteckige Eisblöcke, die sie zuhause in den „Kühl“-Schrank stellten oder wie die meisten in die Kühlgrube im Keller legten, damit die Lebensmittel gekühlt wurden.
In manchen Dörfern wurden regelrechte Kühlhäuser gebaut, so dass z.B. eine ganze Siedlung die Lebensmittel dort lagern konnte. Wenn die Eisblöcke richtig isoliert wurden, konnte so ein Eisblock mehrere Wochen und Monate halten, ehe neuer Nachschub nötig wurde. Klar, wenn es besonders heiße Sommer gab, musste der Eisblocknachschub schneller erfolgen.
Eine andere Möglichkeit das Monatseinkommen zu verbessern, hatten diejenigen, die ein Zimmer entbehren konnten. Das wurde dann an sogenannte Kostgänger vermietet. Kostgänger waren Arbeiter, die aus der näheren oder weiteren Umgebung zum Arbeiten in die Städte kamen. Da die ja irgendwo wohnen mussten, bauten die großen Firmen zu diesem Zweck sogenannte Ledigenheime, wo die Arbeiter meist unter strengem Regiment wohnen konnten. Streng deshalb, weil es Ausgangsbeschränkungen gab, Alkoholverbot, Sperrstunde, Frauenverbot (man durfte keine Frau mit aufs Zimmer nehmen) usw.
In den Familien nahmen die Kostgänger fast normal am Alltagsleben teil und bekamen das Essen (Kost) wie die anderen Familienmitglieder. Wenn möglich wurde so ein Zimmer gleich an mehrere Kostgänger vermietet, die dann auf gegensätzlichen Schichten gearbeitet haben, damit sie sich beim Schlafen nicht in die Quere kamen. So kam dann auch noch mehr Geld in die Familienkasse.
Aber beim Thema Schlafen fällt mir eine Verordnung ein, die ich im Stadtarchiv der Stadt Bochum gefunden habe. Da verfügte das Ordnungsamt im Jahre 1900, dass jemand, der an Kostgänger vermietet, mindestens 1 x im halben Jahr das Stroh in den Strohsäcken, auf denen die Männer schliefen, austauschen musste. Damit das also klar ist: die schliefen nicht etwa in eigenen Betten, sondern auf Strohsäcken und sie schliefen mitunter zu viert oder zu fünft in einer kleinen Schlafkammer. Ich würde sagen, die waren nicht nur zu viert, sondern hatten auch noch tausendfach kleines Krabbelgetier um sich herum.
Und dann kam noch dazu, das man, obwohl die Kostgänger die Familienkasse ein wenig aufbesserten, die meist jungen Männer argwöhnisch beobachtete. Es ist nicht nur einmal vorgekommen, dass die jungen Männer mit der Tochter des Hauses oder der Nachbarin anbändelten und das gab meist großen Ärger.
Lehrmittel um 1900 und andere Gerätschaften im Klassenzimmer anno 1900
Zum Schluss gibt es im Klassenzimmer anno 1900 noch einige Sachen zu entdecken, die heute so nicht mehr oder gar nicht mehr existieren:
Der Fensterputzstuhl oder Fensterputzgestell:
Das Fensterputzgestell diente dem Hausmeister oder seiner Frau dazu, die hohen Fenster im Klassenraum von außen putzen zu können. Und das ging so: er öffnete das Fenster, stellte das Gestell auf die Fensterbank, so dass der obere Teil mit dem Eimerhaken an das obere Fenster gelehnt war, klappte den Auftritt mit dem Haltegitter nach außen und konnte nun darauf steigen, um die oberen Fenster, die sich nicht öffnen ließen, von außen putzen zu können. Ich habe immer mit Schaudern daran gedacht, wie der Hausmeister oder seine Frau in der dritten oder vierten Etage und damit in schwindelnder Höhe, auf dem winzigen Podest standen.
Von den ausgestopften Tieren
Viele Kinder fragten oft, warum denn so viele Tiere sterben mussten, um danach ausgestopft in einer Schule stehen zu müssen. Wenn es seriöse Tierpräparatoren waren, haben sie natürlich bereits gestorbene Tiere ausgestopft. Aber dann kam auch noch die berechtigte Frage, warum die ausgestopften Tiere überhaupt in der Schule landeten. Dabei erinnert ihr euch vielleicht an den Anfang dieser kleinen Zeitreise, als ich ausgeführt habe, was es früher gab und das es damals kein Fernsehen gab, kein Radio, kein Handy, Tablet oder Computer, wo wir einfach nur eingeben können „Fuchs“ und schon erscheint einer.
Ausgestopfte Tiere u.a. ein Waschbär ein Graureiher und ein Fuchs
Damals war es eher unwahrscheinlich, dass man einem Fuchs begegnete; denn so ein Fuchs ist nachtaktiv und tagsüber schlief er in seiner Höhle. Man wusste nur von seiner Existenz, weil möglicherweise morgens wieder mal ein Huhn im Stall fehlte.
Ach ja, und man sammelte Sachen, die einem höchst unwahrscheinlich vorkamen, was man am Strand fand oder am Wald. Dieses Teil z.B. was aussieht wie eine Kettensäge.
Unter der Hand von Frl. Kothe: Eine Sägefischnase
Was zum Teufel ist das? Gefunden hat man das Teil wohl er am Strand als im Wald und es ist die Nase eines Sägefisches. Und ein Sägefisch, der so eine Nase hatte, war 10 m lang. Der passte genau in so ein Klassenzimmer anno 1900. Begegnen möchte ich diesem Tier im Wasser nicht.
Ein Lesekasten:
63 Reihen lang ist die Rolle in diesem Lesegerät. In jeder Reihe befinden sich je nach Länge 3 oder 4 Wörter, zusammen ungefähr 200 Wörter. Das dürfte dann wohl der Grundwortschatz eines Volksschülers bis 10 Jahre gewesen sein. Zum Vergleich heute liegt der Grundwortschatz bei über 500.
Ein Lesekasten mit 63 Wörterreihen und jeweils drei bis vier Wörtern. Na, wieviel Wörter musste ein Volksschüler können?
An dem Kasten, der vorne in Augenhöhe an der Wand befestigt war, befanden sich an einer Seite zwei Kurbeln, mit denen man die Leinwandrolle vor oder zurück drehen konnte. Leider habe ich nirgendwo etwas darüber lesen können, nach welchen Prinzip bzw. pädagogischen Konzept die 63 Reihen aufgebaut waren. (für Hinweise bin ich immer noch sehr dankbar)
Beispiele aus der Sammlung des ehemaligen Schulmuseums Bochum
Und ab hier werde ich wie beim Rundgang durch "mein" Schulmuseum nach und nach eine ganze Reihe Exponate vorstellen, hinter denen so manch lustige und ungewöhnliche Geschichte steckt.
Stempel für Heimatkunde, Geographie und Biologie
Ja, man kannte schon Bücher, besonders die Fibel gehörte in jeden Tornister. Aber es gab auch Bücher, die ziemlich teuer waren, und die sich somit die meisten Eltern nicht leisten konnten. Atlanten gehörten dazu. Und deshalb gab es diese Stempel. Die deckten die gesamte Geographie ab, die im Lehrplan der Volksschule vorgeschrieben war. Für Bochum gab es einen Stempel vom ersten Stadtplan 1750, von der Propsteikirche, von einem typischen Wohnhaus in Bochum und von der Burg Blankenstein.
Stempelmotive aus Bochum für den Heimatkundeunterricht
In der Folge kam das Ruhrgebiet an die Reihe, Westfalen, dann Nordrhein-Westfalen, die verschiedenen Landschaftstypen, alle anderen westdeutschen Länder, Deutschland, alle Länder um Deutschland herum, Europa, die anderen Kontinente und eine Weltkarte.
Die Schülerinnen und Schüler mussten Schulhefte ohne Linien mitbringen und dort hinein drückte der Lehrer die Stempel entsprechend der Reihenfolge und so hatten die Schüler am Ende ihren eigenen Atlas.
Aber auch in den Fächern der Biologie waren die Bücher unbezahlbar und so gab es dafür auch eine ganze Reihe Stempel mit Blumenmotiven, Organen der Tiere und des Menschen, usw.
Musikinstrument "Blockflöte", die von Mädchen, aber auch von Jungen gespielt wurde.
Musikunterricht und musizieren
Das wohl bekannteste Musikinstrument der Volksschule war wohl die Blockflöte. Billig in der Anschaffung und leicht zu lernen. Und wenn dann eine ganze Schule ein Konzert gibt, hört sich das Flötenspiel, dann auch noch mehrstimmig, richtig gut an. In vielen Schulen gab es aber auch ein Harmonium, auf dem der Lehrer spielte, um den Kindern die Kirchenlieder beizubringen.
Sport: Eisenkugel, Lederball, Schwimmgürtel, Pokale, Medizinball und ganz wichtig: eine 1. Hilfe-Tasche
Sport sowie Leibes- und Exerzierübungen
Sport in der (Volks-)Schule war nicht besonders verbreitet. Auch hier begann das Unterrichtsfach erst nach 1919 an Bedeutung. Sportliche Betätigung wurde verlangt, um hauptsächlich für kriegerische Auseinandersetzungen gewappnet zu sein. Und dazu gab es in der Klasse eine gute Möglichkeit, vor allem auch, um die Schüler wieder wach zu machen: unvermittelt brüllte der Lehrer in die Klasse: „Aufstehen, - Setzen, - Aufstehen, - Setzen“. Wer das 10 x gemacht hatte, war fit für die nächste Aufgabe.
Grundsätzlich blieben Mädchen bei den sportlichen Aktivitäten außen vor. Hier reichte die körperliche Betätigung am Waschbrett und die Jungen in der Volksschule? Besser als in der Landwirtschaft zu schuften, konnte kein Sportunterricht sein, so die gängige Meinung.
Scherenschnitte: Mädchenausbildung in Haushaltslehre (Kochen, Stricken, Nähen, Kinderpflege usw.)
Unterricht für Mädchen
Bis zum 16. Jahrhundert blieb Mädchen der Schulunterricht meist versagt - wobei man berücksichtigen muss, dass eine gute und umfassende Bildung bis ins 20. Jahrhundert vor allem den Söhnen des Adels und des Bürgertums vorbehalten war. Eine Ausnahme bildeten Pfarr- und privat geführte Winkelschulen in den großen Handelsstädten, die auch Kaufmannstöchter aufnahmen. Die Mädchen lernten dort zwar nur vier Jahre lang Schreiben, Lesen und Rechnen - die Jungen dagegen sieben oder acht -, der Unterricht wurde aber zu Hause und in den Zünften fortgesetzt, so dass sie später die Arbeit ihrer handelsreisenden Männer übernehmen konnten. In Köln hatten Ehefrauen einflussreicher Kaufleute sogar eigenen Unternehmen und Handwerksbetriebe. In der Stadt gab es vier Frauenzünfte: für die Garnmacherinnen, Seidenweberinnen, Seiden- und Goldspinnerinnen.
Doch die meisten Mädchen wurden zu Hause vor allem in den Fächern unterwiesen, die sie auf ihre traditionelle Rolle als Ehefrau und Mutter vorbereiteten. Dem konnten sie sich nur durch den Eintritt in ein Kloster entziehen. Aber auch dort wurden sie selten in den "septem artes liberales" Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Geometrie, Arithmetik, Musik und Astronomie unterrichtet, die zum Bildungskanon ihrer Brüder gehörten. Erst mit den Humanisten kam eine Diskussion über die Erweiterung des Lehrplans für Mädchen auf. (Siehe Internettext Schulmuseum Reckahn)
Vordruck Scherenschnitt "Kochunterricht in der Volksschule"
Tintenfläschchen und anderen Schulsachen
Die Sammlung der unterschiedlichsten Tintenfässchen basierte auf einer Schenkung einer ehemaligen Lehrerin aus Witten, die auf ihren Reisen um die Welt nach Tintenfässchen unterschiedlichster Art Ausschau gehalten hat.
Ein ganz besonders Exemplar ist dieses hier:
Ein Reise-Tintenfässchen aus Messing mit Federscheide am Gürtel zu tragen. Aus Arabien.
Tintenfässchen aus der ganzen Welt: Reisefässchen, Gläser, Becher usw. - gesammelt von einer ehemaligen Lehrerin aus Witten
Klassenfoto als Erinnerung an die "schöne" Schulzeit
Stunden-, Wochen- bzw. Schuljahresplaner
Protokollbuch der Systemkonferenzen
Ein besonderes Exemplar von Buch: Hier stehen alle Strafen drin, die ein Lehrer über eine bestimmte Zeit gegen seine Schülerinnen und Schüler verhängt hat. Fein säuberlich aufgeführt, mit typisch deutscher Gründlichkeit: Grund für die Strafe, (ganz oft „Widersetzlichkeit), welcher Strafe angewandt wurde und wie oft z.B geschlagen wurde.
Zeugnisse und Abschiedsfoto
Waage und Messzeuge
Lehrmittel aus Mittel- und Oberschule
Computerwandmodell - Thermoscope - Lichtbrechumg - Lichtkästen zur Kreislaufdarstellung - Tellurium - Armillarsphäre
eines der ersten Computeranschauungsmodelle von Phywe
Looser Thermoscope von Leybold
Lichtbrechung, Brenngläser
Präsentationskästen mit unterschiedlichen Vorlagen. Hinter den Durchscheinbildern dreht sich eine Scheibe, wodurch z.B. links der Wasserkreislauf dargestellt wird
Eine Vakuumglocke
Das Tellurium
Ein uraltes Weltenmodell, die Armillarsphäre
Kurzform einer Museumsführung zum Nachspielen im Klassenzimmer
Die Schüler stellen sich vor der Schule wie die Soldaten auf. Exakt in einer Zweierreihe. So wurde den Kindern bereits mit 6 Jahren das „Strammstehen“ beigebracht.
Nun betritt der Lehrer die Klasse, alle Schüler sprangen auf, stellten sich rechts oder links neben die Bank und warteten, dass der Lehrer die Schüler begrüßte und dann kam es wie aus der Pistole geschossen: "Guten Morgen Herr (Lehrer)!" oder „Frl. (Lehrerin)“.
Die Kinder setzen sich in die Bänke. Die Kleinen nach vorne, die Großen nach hinten. Die Jungen rechts, die Mädchen links. Der Lehrer stand vorne auf einem Podest hinter dem Stehpult.
Einführung: von den Römern zum Deutschen Kaiser (auch in Urug, die erste uns bekannte Großstadt der Welt in Persien gelegen, gab es schon Schulen: (zwischen 5000 und 3000 v.Chr.)
Einführung mithilfe der Vorlagen "Schule anno 1900".
Erklären was es gab (wenig) bzw. was es nicht gab: kein Strom, kein Fernsehen, kein Telefon, kein Handy - Kinder haben gearbeitet.
Vorlagen „Schule anno 1900“
- Hilfsmittel: Schreiben mit Tinte und Feder; Schreiben auf Schiefertafeln.
- Regeln: Heftlage, Sitzen.
- Tugenden: Gehorsamkeit, Fleiß, Ordnung, Sauberkeit?
- Strafen: Wie und wo wurde bestraft?
Und nun tauchen wir ein in die Schule des Jahres 1900, genauer in der Volksschule des Jahres 1900. Denn wenn wir von "Schule früher" reden, dann von der Schule, in die die meisten Kinder gingen und das war die Volksschule. Das war aber nicht nur im Jahr 1900 so, sondern auch noch vor 50 Jahren völlig normal.
1958 z.B. gingen ca. 50 Kinder in der ersten Klasse. Davon verließen nach der 4. Klasse vier die Volksschule in Richtung Realschule, die früher Mittelschule hieß und zwei besuchten das Gymnasium, die Oberschule. Alle anderen blieben in der Volksschule. Heute ist es fast umgekehrt.
Dann kontrollierte der Lehrer mit dem Stock in der Hand, ob die Kinder sauber in die Schule gekommen waren: Es ging um Fingernägel, Ohren, Hals und Haare; (Kinder mussten saubere und gebügelte Taschentücher vorzeigen)
Taschentücher dienten der Gesundheitsvorsorge. Stichwort: Tuberkulose. Erst durch Erfindung der entsprechenden Antibiotika (Antituberkulotikum) 1882 wies Robert Koch das Bakterium nach und erhielt dafür 1905 den Nobelpreis. Ab 1908 Impfungen.
Es gab eine Reihe von Sprüchen, mit denen Lehrer den Kindern bestimmte Regeln "einbläuten". Z.B. die Sauberkeitsregel: „Frisch gewaschen, frisch gekämmt, Ohren, Hals, Gesicht und Händ, und ein saubres Taschentuch, das gehört zum Schulbesuch“
Kleidung:
Lehrer (Gehrock), Mädchen (Kleider, Blusen, Röcke, Schürzen) Frauen, (entsprechend auch Lehrerinnen tragen nur Kleider oder Kostüme: Hosenverbot), Jungen (kurze Hosen)
Regeln:
Aufzeigen nur nach Fragen des Lehrers; aufstehen und sich neben die Bank stellen und wie die Soldaten kurz und in ganzen Sätzen antworten. Nicht in die Klasse brüllen. Auch wenn Gäste in die Klasse kommen, stehen die Kinder auf und begrüßen sie wie den Lehrer.
Vorstellung der Lehrerin Frl. Kothe bzw. deren selbstgeschneidertes Kleid. (Heiratsverbot; Vorurteile der Männer gegenüber Frauen; Haube für verheiratete Frauen; Zöpfe bzw. zusammengebundene Haare bei Mädchen)
Tornister:
(Jungen- und Mädchentornister) Holztornister, Affe. In der Regel bekamen die Kinder keinen neuen Tornister zum Schulanfang sondern einen gebrauchten aus der Familie oder der Nachbarschaft. Bild der beiden Jungen mit den Holztornister. Lange und kurze Hose. Lange Strümpfe und Leibchen.
Inhalt des Tornisters: Tafel mit heraushängendem Lappen. Schwammdose, Griffelkasten. Striche auf dem Griffelkasten. Wachstafeln der Römer und auch bei uns bis vor 300 Jahren
Kaiser:
„Wilhelm II“ und Kaiserin Auguste Victoria: Rechenaufgabe zur Krönung 1888. Kaiser Wilhelm war im Jahr 1900 bereits 12 Jahre Kaiser. Wann wurde er zum Kaiser gekrönt?) u(Dreikaiserjahr: „Wilhelm I“ gekrönt 1871 stirbt am 09.03.1888. Ab 09.03.1888 Kaiser „Friedrich III“. Er stirbt am 15.06.1888 nach nur 99 Tagen. Ab 15.06.1888 Kaiser „Wilhelm II“:
Erziehung zum Soldatentum bereits in der Schule. 1. Weltkrieg als "Pfadfinderspiel". Gewinner des Krieges: Krupp ist der reichste Mann der Welt und speist seine Arbeiter mit einem Hungerlohn ab. „Wilhelm II“ dankt am 09.11.1918 ab und flieht mit Hab und Gut (60 Eisenbahnwaggons) nach Holland (Doorn) und stirbt dort am 04.06.1941 im Alter von 82 Jahren.
Schreiben:
Federn, Gänsefedern, Stahlfedern, Füllfederhalter; Tinte, Tintenflasche, Tintenfässchen (Warum keine Tintenpatronen, weil erst 1909 Plastik erfunden wurde)
Schreiben auf Schiefertafeln. (mit der Anweisung: 1, 2, 3 werden die Tafeln von der Ablage unter dem Tisch auf den Tisch gelegt), Griffel verteilen. Deutsche Schrift, Sütterlinschrift. ABC Sütterlinschrift gemeinsam lesen lassen; "l" schreiben lassen freihändig; Namen in der heutigen Schrift schreiben lassen, Namen in Sütterlinschrift schreiben lassen. Griffel einsammeln und Tafeln mit Schwamm reinigen. Tafeln mit 1, 2, 3 unter den Tisch.
Strafen:
Stock; Holzscheit; (Kanonenofen) auf Holzscheit knien lassen; Eselsbank (Mädchen auf der Bank sitzen lassen); Fingerrechengerät
Zuletzt:
Fensterputzstuhl; ausgestopfte Tiere; Sägefisch; Lesegerät; Messlatte; Lebenssituation einer typisch deutschen Familie: 1.320,-Mark; Selbstversorgung; Kostgänger
Kurze Vorstellung der wichtigsten Exponate:
- Spiele von der Geburt bis zur Einschulung, Zuckertüten
- Stempel für Heimatkunde, Geografie, Biologie
- Musikinstrument: "Blockflöte"
- Sport: Eisenkugel, Lederball
- Mädchenausbildung in Haushaltslehre (Kochen, Stricken, Nähen, Kinderpflege usw.)
- Tintenfässchen aus der ganzen Welt, Reisefässchen
- Ausstellung weiterführende Schulen: Tellurium, Lichtbrechung, Kohle,
- Zensurenbuch, Einschulungsfoto, Protokollbuch Systemkonferenzen
- Zeugnisse
Oder Sie lassen eine Führung "Schule anno 1900" Ihre Schüler machen. Hier einige Themen, die sich immer zwei Schülerinnen und Schüler vornehmen könnten. Bei einem jeweiligen Vortrag von etwa 3 Minuten würden Sie ein Schulstunde dafür opfern müssen. (Hinweis: ich habe diese Art der Vermittlung mehrmals z.B. bei Jubiläumsfeiern gewählt. Das war immer ein Riesenerfolg. Sie glauben gar nicht, welches potential in Ihren Kindern steckt)
Themen für Schulmuseumsführungen von Schülerinnen und Schülern
- Was es im Jahr 1900 gab, bzw, was es noch nicht gab.
- Schulkleidung und warum im Jahr 1900 die Jungen so gerne Matrosenanzüge trugen
- Begrüßung und Verabschiedung des Frl. Lehrerin oder des Lehrers; wieso eigentlich Fräulein?
- richtiges Sitzen, Aufstehen und sich melden, sowie weitere sinnige und unsinnige Regeln
- Tornister, Lederriemen und warum vieles aus Holz war
- Vom Schreiben mit der Feder, dem Griffel und dem Füller
- von 1888 bis 1918; das Jahr 1900 unter dem Kaiser und wie lange die Deutschen den Kaiser ertragen mussten
- das Schreiben auf der Schiefertafel; von der Deutschen Kurrent- zur Sütterlinschrift
- wer wurde wann, wie und warum bestraft? Unterschiede bei Jungen und Mädchen?
Bis wann wurde in deutschen Schulen geschlagen?
- warum das Bochumer Rechenbuch aus dem Jahr 1898 heute ein Geschichtsbuch ist?
- vom Verdienst des Vaters, von Kostgängern und von Kinderarbeit
- mit welchen Hilfsmitteln Lehrerinnen und Lehrer nach dem 2. Weltkrieg versucht haben, den Kindern Geografie und Biologie beizubringen.
Feste und Feiern in der Schule
Die Weihnachtszeit und die Adventszeit war auch in der Schule etwas besonderes. Als ich in den 50er Jahren in die Volksschule ging, hing zur Weihnachtszeit im Flur ein großer Adventskranz, natürlich mit echten Tannenzweigen und echten Kerzen. (aus feuerpolizeilicher Sicht heute undenkbar) Geburtstag wurde selbstverständlich groß gefeiert, aber auch die großen Kirchenfeste, wie Ostern, Erntedank und Weihnachten. In der Vorweihnachtszeit z.B. hing ein großer Adventskranz im Schulflur, unter dem sich die Kinder einmal wöchentlich versammelten. Kerzen wurde jeweils angezündet, Gedichte vorgetragen und es gab ein Blockflötenkonzert. Aber passend zur Adventszeit gab es ja auch noch den Adventskalender. Bei meinen Exponaten habe ich ein ganz besonderes Exemplar aus der 40er Jahren gefunden.
Die ersten gedruckten Adventskalender gibt es seit 1902 in Hamburg. Vorher haben sich die Eltern, Großeltern oder die älteren Geschwister sehr viel Mühe gemacht, den jüngeren Geschwistern etwas zu basteln, Bilder aufzuhängen, aber auch Geschichten vorzulesen, um die Zeit bis Weihnachten zu verkürzen. Das war auch nicht selbstverständlich, weil es früher in den Bauern- oder Handwerkerfamilien keine oder nur ganz wenige Bücher gab. Lesen konnten die meisten Menschen ja auch nicht. Und "Nein" Computer, Tablets oder Handys gab es natürlich auch nicht, und so vertrieb man sich vor Weihnachten z.B. die Zeit damit, den Kindern aus einem Advents- bzw. Weihnachstbüchlein vorzulesen und sich die schönen Bilder anzuschauen. Bei dem gleich vorgestellten Büchlein konnte man den Kindern außerdem so ganz nebenbei das Zählen beibringen.
Ihr werdet in den nächsten Tagen sehen, dass es bei jedem Text, die dem Tag entsprechende Anzahl von Kerzen gab, die die Kinder z.B. zählen konnten. Und es gab jede Menge "erhobene Zeigefinger", um die Kinder "sanft" auf den rechten Weg zu geleiten.
Das Buch "Line und Stoffel" - Ein Adventskalender (eine Weihnachtsgeschichte) - von Susanne Engelmann ist um 1940 zum ersten Mal im Verlag Tebe gedruckt worden. Ich zeige hier eine Bearbeitung für eine alte Fassung mit lateinischer Schrift und die Originalschriftseite in Deutscher Schrift. (Einfach links auf die Schrift „Line und Stoffel“ klicken)
Ich habe übrigens keinen Rechteinhaber für das Buch gefunden. Sollte es den geben, bitte ich ihn, sich bei mir zu melden, damit über die Rechte der Veröffentlichung geredet werden kann.
Für die ganze Geschichte klicken sie bitte im linken Frame auf Adventskalender "Line und Stoffel"
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